Saikäm… was? Wozu brauch ich das?

Eine kurze Einführung in das internationale Chemikalienmanagement und die UN Chemikalienpolitik

Chemikalien sind überall. Sie stecken in Alltagsgegenständen, in Baumaterialien, Spielzeug, Kosmetika, Kunststoffen und gelangen als Pestizide in die Umwelt. Sie erleichtern unser modernes Leben. Allerdings hat ihre weltweite Verbreitung auch dazu beigetragen, dass die Belastung von Umwelt und Gesundheit durch schädliche Chemikalien längst zum globalen Problem geworden ist. Nach Aussagen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben weltweit jährlich 1,6 Millionen Menschen durch die Einwirkung gefährlicher Chemikalien. Diese Tendenz bestätigt auch der Global Chemicals Outlook, ein Zustandsbericht über die Belastung von Mensch und Umwelt durch gefährliche Chemikalien, den das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) im Frühjahr 2019 veröffentlich hat. Deshalb ist es wichtig, dass Gesundheit und Umwelt belastende Chemikalien durch ungefährliche ersetzt werden, ihr Gebrauch verboten oder zumindest eingeschränkt wird.

Dies erkannte auch die Staatengemeinschaft und vereinbarte deshalb bereits 2002 auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg die negativen Auswirkungen von Chemikalien auf die menschliche Gesundheit und Umwelt bis 2020 zu minimieren.


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Sechs Fragen, sechs Antworten zu SAICM

Was ist der Hauptfokus von SAICM und woran hapert es?

Im Fokus von SAICM steht und stand der Aufbau eines globalen institutionellen Prozesses mit strategischen Zielen und Unterzielen, nationalen Aktionsplänen, Berichtspflichten und Peer-Review-Mechanismen, sowie dem Ausbau nationaler Kapazitäten und länderübergreifender Partnerschaften. Eine große Herausforderung stellen die bisher unzureichende Finanzierung für den Kapazitätsaufbau in Ländern des Globalen Südens und der mangelnde Umsetzungswillen einzelner – insbesondere Industrie- und Schwellenländer dar. Das hat schließlich auch dazu geführt, dass viele der bis 2020 gesteckten Ziele nicht erreicht werden konnten.

Wie läuft der SAICM Prozess?

Gesteuert wird der SAICM-Prozess von der Internationalen Konferenz zu Chemikalienmanagement (ICCM). Die vierte Internationale Konferenz zu Chemikalienmanagement (ICCM 4) hat 2015 beschlossen, in einem so genannten Intersessionalen Prozess bis 2020 einen Nachfolgeprozess zum Internationalen Chemikalienmanagement zu erarbeiten. In verschiedenen Treffen (IP2, IP2, Ip3, IP4 und Open Ended Working Group (OEWG)) verhandeln die Stakeholder über die Ausgestaltung eines SAICM 2.0.

Im Oktober 2020 hätte in Bonn die 5. Internationale Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICCM 5) stattfinden sollen, die schließlich über den Folgeprozess hätte entscheiden sollen. Aufgrund der Covid-19 Pandemie wurde sie jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben.

Wer ist in Deutschland zuständig?

In Deutschland ist das Umweltbundesamt die Kontaktstelle für den SAICM Prozess (Fachbereich Internationales Chemikalienmanagement) in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium. Deutschland vertritt die UN Region Western Europe and Others Group und hat die Präsidentschaft für die ICCM5 inne.
Aufgabe der Bundesregierung ist es in erster Linie, Maßnahmen zur Umsetzung des Strategischen Ansatzes zu ergreifen.

Warum ist SAICM gerade jetzt ein Thema?

Das Thema Verringerung schädlicher Chemikalien ist dringender denn je. Das Mandat von SAICM endet 2020. In die Verhandlungen für den Nachfolgeprozess sollten möglichst viele Sektoren mit einbezogen werden, denn Chemikalienpolitik berührt viele politische und gesellschaftliche Bereiche.

Was hat SAICM mit anderen Chemikalienprozessen zu tun?

Unter dem Dach des Umweltprogramms der Vereinten Nationen gibt es schon einige Abkommen, die die Gefahren durch Chemikalien für Mensch und Umwelt eindämmen sollen. Hier eine kleine Übersicht:

  • Die Basel Konvention (1989) regelt die Kontrolle grenzüberschreitender Transporte gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung.
  • Im Montreal Protokoll (1989) verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, die Ozonschicht der Erde zu schützen und dafür chlor- und bromhaltige Chemikalien vollständig abzuschaffen.
  • Die Rotterdamer Konvention (2004) regelt, wie im internationalen Handel mit bestimmten gefährlichen Chemikalien verfahren werden muss. Sie ist das erste internationale Vertragswerk zum Import und Export von Chemikalien.
  • Mit der Stockholm Konvention (2004) wird der Einsatz von  bestimmten langlebigen organischen Schadstoffen (POP – persistent organic pollutants) eingeschränkt oder verboten. Die ursprünglich zwölf verbotenen Stoffgruppen werden auch als „Dirty Dozen“ bezeichnet. Mittlerweile sind weitere hinzugekommen.
  • Die noch junge Minamata Konvention (2017) ist ein Vertrag, mit dem das Vorkommen des hirn- und nervenschädlichen Schwermetalls Quecksilber eingedämmt werden soll.

Die Aufgabe von SAICM ist es, diese Abkommen und andere Ansätze und Programme im Chemikaliensektor mit seinem weiteren und übergreifenden Ansatz zu unterstützen und zu ergänzen, denn die genannten Konventionen regeln nur einen Bruchteil der Chemikalien, die weltweit angewendet werden. Zum Beispiel sind über die Konventionen nur ein Prozent der Pestizide geregelt, die im Einsatz sind.

Was sind die Kerntexte von SAICM?

  • Die Dubai Erklärung von 2006 ist die offizielle Vereinbarung der Stakeholder zu SAICM. Darin bestätigen die Vertragspartner auf höchster Ebene, dass ein globaler Einsatz notwendig ist, um das öffentliche Gesundheitswesen und die Umwelt vor Chemikalien zu schützen. Die Dubai Deklaration benennt die Probleme, die bearbeitet werden müssen: zum Beispeil die begrenzte Kapazität des Globalen Südens, um Chemikalien zu kontrollieren, die Folgen für Arbeiter*innen, die Chemikalien ausgesetzt sind, die Abhängigkeit der Agrarwirtschaft von Chemikalien und die Besorgnis über negative Langzeiteffekte von Chemikalien für Mensch und Umwelt.
  • Die Overarching Policy Strategy (OPS): Hier sind unter anderem der Umfang und die Ziele von SAICM festgelegt, die zugrunde liegenden Prinzipien und finanzielle Vereinbarungen. Auch wird bestätigt, dass die aktuellen internationalen politischen Rahmenvereinbarungen für Chemikalien nicht ausreichen, dass viele Länder nicht genügend Kapazitäten und Informationen haben, Chemikalien sachgerecht uns sicher zu managen. Mit der Verabschiedung der OPS und der Dubai Deklaration durch die erste Konferenz zu internationalem Chemikalienmanagement (ICCM 1) bekräftigten die Vertragspartner die feste Verpflichtung zu SAICM und dessen Umsetzung.
  • Global Plan of Action (GPA): Hier sind Arbeitsfelder und Aktivitäten von SAICM festgelegt. Der SAICM Global Plan of Action wurde als weiter zu entwickelndes Werkzeug und Anleitung zur Umsetzung von SAICM angelegt.

Zur Vorbereitung auf die Internationale Konferenz über das Chemikalienmanagement haben wir uns mit vier weiteren deutschen NGOs zusammengeschlossen, um uns gemeinsam für ambitionierte Ergebnisse einzusetzen. Dazu gehört es, die Öffentlichkeit über die Inhalte und Fragestellungen der SAICM-Verhandlungen zu informieren.

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Hintergründe

Das Forum Umwelt und Entwicklung setzt in seinem Rundbrief 4/19 den Schwerpunkt auf Chemikalien und SAICM. Eine einzigartige Sammlung informativer Hintergrundartikel rund um die aktuelle Chemikalienpolitik - unter anderem von unseren Kolleginnen Sascha Gabzion und Johanna Hausmann.



PODCAST

SWR2 Wissen informiert über die "Gratiszugabe", die es bei jedem Einkauf von Kosmetik und Plastikprodukten oben drauf gibt: Chemikalien, die unser Hormonsystem beeinflussen. Doch was bedeutet das für uns und unsere Gesundheit? Dieser Podcast klärt auf - mit Input von unserer Chemikalienexpertin Johanna Hausmann.

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