Weltchemikalienkonferenz (ICCM 5) verabschiedet in Bonn ein neues Rahmenwerk zum Schutz vor gefährlichen Chemiklalien

Auf der Weltchemikalienkonferenz in Bonn wurde die neue Vereinbarung “Global Framework on Chemicals (GFC) – For a planet free of harm from chemicals and waste” erarbeitet – wir haben aktiv daran mitgewirkt

10. Oktober 2023

 

Nach einem Verhandlungsmarathon von 26 Stunden hat die 5. Internationale Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICCM 5) am 30. September in Bonn ein neues Rahmenwerk zu Chemikalien – für einen Planeten frei von Schäden durch Chemikalien und Abfälle – verabschiedet. Die “Global Framework on Chemicals (GFC) – For a planet free of harm from chemicals and waste” ist unter dem Dach des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) angesiedelt und soll dazu beitragen, die große Belastung von Mensch und Umwelt durch schädliche Chemikalien zu reduzieren. GFC ist der Nachfolgeprozess des Strategischen Ansatzes für ein internationales Chemikalienmanagement (SAICM), dessen Mandat 2020 endete.

Johanna Hausmann (WECF) und Tom Kurz (Forum Umwelt und Entwicklung) auf der ICCM5

Wir von WECF haben an der Konferenz in Bonn teilgenommen und aktiv die neuen Vereinbarung mitgestaltet. Dabei haben wir insbesondere auf die High Level Deklaration, die Gestaltung der dem Rahmenwerk zugrundeliegenden Prinzipien, die Formulierung der Ziele und auf die Gender Resolution Einfluss genommen, die von der Konferenz verabschiedet wurde.

Das neue wegweisende Rahmenwerk für Chemikalien und Abfälle hat einen besonderen Status

Das verabschiedete Rahmenwerkt ist das einzige global umfassende Instrument, das sich mit allen Aspekten der Chemikalien- und Abfallproblematik befasst und hebt sich damit von anderen Konventionen ab, die einen engerem Geltungsbereich haben. Es dient dem Schutz der Menschen und des Planeten vor schädlichen Chemikalien und Abfällen.

ICCM5 WECF
Bistra Mihaylova (Li) und Johanna Hausmann (Re) von WECF

Die Vertragspartner*innen bekennen sich in der High Level Deklaration u. a. zu einem schrittweisen Verbot gefährlicher Pestizide, der Bereitstellung angemessener und nachhaltiger Finanzierungsmittel für eine giftfreie Zukunft, sowie zu einem gendergerechten Ansatz. Ebenfalls einzigartig ist, dass es sich um einen Multistakeholder Prozess handelt, der Regierungen, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Vertreter*innen der Industrie zu gemeinsamen Verhandlungen zusammenbringt und die Beteiligung verschiedener Sektoren wie Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutz fördert.

Die Verabschiedung des neuen Rahmenwerks zu Chemikalien,  für einen Planeten, der frei von Schäden durch Chemikalien und Abfälle ist, ist ein wichtiger Schritt zu mehr Schutz von Mensch und Umwelt. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft ist es zu verdanken, dass trotz schwieriger Verhandlungen, eine tragfähige Vereinbarung zustande kam. Die Verabschiedung der Resolutionen zu Hochgefährlichen Chemikalien und zu Gender und Chemikalien sind Meilensteine; die Beibehaltung der bisherigen „Issues of Concern“, zu denen u.a. EDCs gehören, gibt uns die Möglichkeit mehr Engagement zur Lösung dieser Themen zu fordern. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Dass die Industrie nach wie vor nicht zur Kasse gebeten, wird, um für die Schäden, die sie verursacht de Verantwortung zu übernehmen, ist bitter und zynisch.“ Johanna Hausmann, WECF

Was kam bei der Konferenz heraus? Mehr als erwartet und weniger als notwendig

Das sind für uns wichtige Ergebnisse der ICCM 5

  • Zustimmung zu einer Resolution zur Verabschiedung der neuen globalen Chemikalienabkommen mit dem Titel “Global Framework on chemicals (GFC) – for a planet free of harm from chemicals and waste” sowie einer High Level Deklaration. Der einleitende Abschnitt zu den Prinzipien, auf denen das Rahmenwerk fußt, enthält einen direkten Verweis auf die Erklärung von Rio von 1992. Diese enthält 27 grundlegende Prinzipien, darunter das Vorsorgeprinzip und das Verursachendenprinzip. Die Delegierten einigten sich auch darauf, ein globales Rahmenprogramm für Chemikalien einzurichten, das die Beteiligten bei der Umsetzung der Vereinbarung unterstützen soll.
  • Verabschiedung einer Resolution zur Finanzierung mit Einrichtung eines neuen freiwilligen Treuhandfonds mit begrenzter Laufzeit. Dieser dient dazu, Maßnahmen zur Umsetzung des neuen Globalen Rahmenprogramms für Chemikalien in Ländern des globalen Südens zu unterstützen. Deutschland hat eine Anschubfinanzierung in Höhe von 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Frankreich plant einen Beitrag von 400.000 Euro. Weitere 2,5 Millionen Euro sollen aus dem so genannten „Quick Start Programme“ (QSP) aus SAICM, dessen Mandat 2015 endete, in den neuen Treuhandfonds fließen. Der neue Fonds würde somit über ein Budget von 22.900.000 Euro verfügen. Die Delegierten einigten sich darauf, das Mandat des Fonds auf der ersten Konferenz im Rahmen des neuen Globalen Rahmens für Chemikalien zu überprüfen.
  • Verabschiedung der Resolution über hochgefährliche Pestizide: Diese befürwortet die Einrichtung einer Globalen Allianz für hochgefährliche Pestizide (HHP), um wirksame Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung hochgefährlicher Pestizide in der Landwirtschaft zu ergreifen, und zwar dann, wenn die Risiken dieser Pestizide nicht beherrscht werden, und um sicherere Alternativen unter der Schirmherrschaft der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation zu fördern. In der Resolution wird auch dazu aufgerufen, das Bewusstsein für hochgefährliche Pestizide zu schärfen. Dabei sollen folgende Aktivitäten förderlich wirken:
    • Identifizierung und Förderung sichererer und nachhaltigerer landwirtschaftlicher Praktiken, einschließlich Agrarökologie, integrierter Schädlingsbekämpfung und der Verwendung nicht-chemischer Alternativen
    • Austausch zwischen Ländern, die erfolgreich auf hochgefährliche Pflanzenschutzmittel verzichtet haben
    • Unterstützung von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen in ihren Bemühungen, den nationalen Rechtsrahmen zu stärken, hochgefährliche Pflanzenschutzmittel schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen und die Anwendung sichererer Alternativen zu unterstützen, Unterstützung von Landwirt*innen und Landarbeiter*innen bei der Umstellung von hochgefährlichen Pflanzenschutzmitteln hinzu weniger gefährliche Alternativen.
  • Verabschiedung einer Resolution zu Gender und Chemikalien: Diese Resolution soll die unterschiedlichen Auswirkungen und Belastung durch Chemikalien hinsichtlich der Geschlechter im neuen Rahmenwerk berücksichtigen. Damit wurde der Grundstein gelegt, Geschlechter-Unterschiede stärker zu thematisieren und somit den Schutz vieler Menschen zu verbessern. Diese Resolution wurde eng von WECF begleitet und referiert direkt auf eines der wichtigsten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), SDG 5, das die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung aller Frauen und Mädchen zum Ziel hat.
  • Die Annahme von fünf strategischen Zielen

A. Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen, institutionellen Mechanismen und Kapazitäten zur Unterstützung und Verwirklichung eines sicheren und nachhaltigen Managements von Chemikalien während ihres gesamten Lebenszyklus.

B. Generierung von umfassenden und ausreichenden Kenntnissen, Daten und Informationen, die für alle verfügbar und zugänglich sind, um fundierte Entscheidungen und Maßnahmen zu ermöglichen.

C. Besonders problematische Themen werden als so genannte „Issues of Conern“ anerkannt und nach Prioritäten geordnet sowie angegangen.

D. Sicherere Alternativen sowie innovative und nachhaltige Lösungen in der Produktwertschöpfungskette sind vorhanden, so dass der Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt maximiert und Risiken verhindert oder, wo dies nicht möglich ist, minimiert werden.

E. Eine verbesserte Umsetzung (der Rahmenvereinbarung) erfolgt durch verstärkte und effektive Ressourcenmobilisierung, Partnerschaften, Zusammenarbeit, Kapazitätsaufbau und Integration in alle relevanten Entscheidungsprozesse.

Darüber hinaus wurden verschiedene Zielvorgaben angenommen

Darunter die Zielvorgabe, den Export von im Inland verbotenen Chemikalien zu verbieten. Die Ausfuhr giftiger Chemikalien, einschließlich hochgefährlicher Pestizide, aus den Herstellerländern in Länder des globalen Südens soll damit verringert werden.

Zu den wichtigen Zielen gehört auch der Zugang zu Informationen über Chemikalien in Produkten innerhalb und außerhalb der Produktionskette, um sicherzustellen, dass diese Informationen nicht nur den Lieferant*innen und Produkthersteller*innen, sondern auch Einzelhändler*innen, Verbraucher*innen und Abfallentsorger*innen zur Verfügung stehen, und die Erhebung genderdifferenzierter Daten.

Es wurde vereinbart, dass künftig Konferenzen, bei denen Entscheidungen getroffen werden können, alle drei Jahre einzuberufen werden. Die Präsidentschaft in diesem Prozess, die bisher Deutschland innehatte, ging an Pakistan.

Weitere Infos

 

Photo im Header: IISD/ENB, Mike Muzurakis