WECF bei den IP4.2 Verhandlungen in Nairobi – Einiges aber nicht alles erreicht für eine giftfreie Zukunft

NAIROBI (KE) – Wir von WECF waren vergangene Woche in Nairobi bei den Verhandlungen zu einem Intersessionalen Prozess (IP4.2) zu SAICM Beyond 2020. Dies ist der Nachfolgevertrag für den Strategischen Ansatz zum Internationalen Chemikalienmanagements, SAICM. Wir begrüßen die dort unternommenen Schritte hin zum besseren Schutz von Umwelt und Gesundheit vor schädlichen Chemikalien und Abfällen. Gleichzeitig müssen wir jedoch feststellen, dass es noch einiges zu tun gibt, bis im Herbst 2023 in Bonn bei der Weltchemikalienkonferenz, ICCM 5, ein SAICM Beyond 2020 verabschiedet werden kann, das wirklich dem Schutz vor schädlichen Chemikalien dient.

 

Das Plenum | Foto: IISD/ENB, Diego Noguera
Das Plenum | Foto: IISD/ENB, Diego Noguera

Vom 27. Februar bis zum 3. März wurden in Kenia unter dem Dach des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, UNEP, die Verhandlungen des Intersessionalen Prozesses (IP 4.2), im Rahmen des SAICM Beyond 2020 Prozesses wieder aufgenommen. Die Verhandlungen knüpften an das Treffen IP 4.1 an, das im August und September 2022 in Burkarest stattfand und vertagt wurde.

Ziel der Verhandlungen war es, den Text des neuen Rahmenwerkes weiter zu verhandeln, der dann bei der Weltchemikalienkonferenz (ICCM5), die im September 2023 unter deutscher Präsidentschaft in Bonn verabschiedet werden soll. Unsere Arbeitsschwerpunkte waren u.a. die Konkretisierung der Ziele und Mechanismen, die Beibehaltung der Issues of Concern für die Aufnahme einer ausgeprägten Genderperspektive und stabile Finanzrahmen.

“Wir haben einiges erreicht in Kenia. Es ist uns gelungen, Passagen zu einem genderechten Ansatz in den Text einzubringen, Gendergerechtigkeit als Prinzip zu verankern und die so gennannten Issues of Concern, zu denen u.a. EDCs, Chemikalien in Produkten, PFAS und Hochgefährliche Pestizide zählen, als Bestandteil des Rahmenwerkes zu halten. Dennoch mussten wir auch feststellen, dass der Prozess sehr langsam fortschreitet und die Führung und der politische Wille fehlt, auch dahingehend, entsprechende Finanzmittel bereitzustellen, um der Dringlichkeit dieser Krisen gerecht zu werden und eine giftfreie Zukunft zu schaffen.” Johanna Hausmann, WECF

 

Unsere Kollegin Johanna Hausmann (Hintergrund mittig) im informellen Gespräch | Foto: IISD/ENB, Diego Noguera
Unsere Kollegin Johanna Hausmann (Hintergrund mittig) im informellen Gespräch | Foto: IISD/ENB, Diego Noguera

 Ziel des Intersessionalen Prozesses

Ziel des Intersessionalen Prozesses ist es, ein neues Rahmenwerk des Strategischen Ansatzes für ein internationales Chemikalienmanagement (SAICM Beyond 2020) zu entwickeln. Nachdem die Ziele von SAICM, die Belastung von Umwelt und Gesundheit durch schädliche Chemikalien und Abfälle bis 2020 zu reduzieren, nicht erreicht wurde, haben sich die Beteiligten in diesem Multi Stakeholder Prozess 2015 darauf geeinigt, einen Nachfolgeprozess ins Leben zu rufen. Dieser sollte ursprünglich im Jahr 2020 verabschiedet werden, was sich pandemie-bedingt allerdings verschoben hat. SAICM ist zwar rechtlich nicht bindend, ist aber wegen seines großen Anwendungsbereichs auf eine Vielzahl von Chemikalien, die beispielsweise nicht in den Konventionen geregelt sind, ein wichtiges Instrument, zu mehr Sicherheit im Umgang mit Chemikalien und eines der energieintensivsten und profitabelsten Industriezweige der Welt.

Wie geht es weiter?

Trotz fünf intensiver Verhandlungstage des IP4.2 ist es leider nicht gelungen, einen kompletten Textvorschlag zu erarbeiten, um ihn der entscheidungsgebenden Konferenz, ICCM 5, die im Herbst in Bonn zusammenkommt, vorzulegen. Die Vertragsparteien kamen deshalb überein, IP4.2 auszusetzen und im September in Bonn zwei Tage vor ICCM 5, die Textverhandlungen bei IP 4.3 fortzusetzen und nach Möglichkeit abzuschließen. Die genaue Tagesordnung und Struktur des Treffens müssen noch festgelegt werden.

Partner Tom Kurz vom Forum Umwelt und Entwicklung im Gespräch mit der ICCM5 Präsidentin Anita Breyer
Partner Tom Kurz vom Forum Umwelt und Entwicklung im Gespräch mit der ICCM5 Präsidentin Anita Breyer | Foto: IISD/ENB, Diego Noguera

Warum wir ein starkes SAICM Beyond 2020 brauchen? Ein bisschen Hintergrundinformation

Gefährliche Chemikalien finden sich überall, von der Nahrung, die wir essen, bis zur Luft, die wir atmen, von hochgiftigen Pestiziden bis zu Schwermetallen, von Kunststoffen bis zu Körperpflegeprodukten und sogar in Kinderspielzeug. Sie bedrohen unsere Umwelt und machen krank. Frauen* sind auf besondere Weise von der Exposition gegenüber Schadstoffen betroffen, weshalb ein genderspezifischer Ansatz immens wichtig ist.

„Der Schutz der Menschen vor gefährlichen Stoffen ist ein wesentlicher Bestandteil des Schutzes und der Wahrung der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der neue Rahmen für Chemikalien und Abfälle den Menschen in den Mittelpunkt stellt und auf den Menschenrechten basiert, diese inkludieren auch die Recht von Frauen*. Die Gesundheit unseres Planeten und der heutigen und künftigen Generationen hängt davon ab. Die Politik muss handeln und die Verursacher *innen und Profiteur*innen zur Kasse bitten. Die Umsetzung eines SAICM Beyond 2020 braucht einen stabilen Finanzrahmen.“ Johanna Hausmann, WECF

Die Verbreitung giftiger Chemikalien ist eine allgegenwärtige Bedrohung, die zu den drei planetaren Krisen beiträgt, mit denen wir konfrontiert sind: Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltverschmutzung. Diese Krisen können ohne ein starkes und ehrgeiziges Instrument zur Regulierung von Chemikalien und Abfällen, bei dem der Schutz von Umwelt und Gesundheit vor den Interessen einer riesigen Industrie steht, nicht gelöst werden.

 

Unsere Publikationen
Unsere Publikationen | Foto: IISD/ENB, Diego Noguera

Nach den Aussagen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben weltweit jährlich zwei Millionen Menschen durch die Einwirkung gefährlicher Chemikalien – mit einer prognostizierten Verdoppelung von Produktion und Umsatz bis 2030 werden sich diese Zahlen erhöhen. Diese bestätigt auch der Global Chemicals Outlook, ein Zustandsbericht über die Belastung von Mensch und Umwelt durch gefährliche Chemikalien, den das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) im Frühjahr 2019 veröffentlich hat. Umso bedeutender und wichtiger ist es, dass es jetzt klare Maßnahmen und Regelungen für den Umgang mit gefährlichen Chemikalien gibt.

 

Dokumente  der Konferenz

Mehr Infos zum Thema

 

Foto im Header: IISD/ENB, Diego Noguera