Was hat Gender mit Chemikalien zu tun?

Genf / München, den 9. Mai 2019

Side Event bei der BRS-Konvention: WECF informiert über Gender-Strategien zur Verbesserung des Umgangs mit gefährlichen Chemikalien und Abfällen

WECF hat heute gemeinsam mit Partnerorganisationen und mit Unterstützung der Sekretariate der Basel-Rotterdam-Stockholm-Konventionen in einem Side Event darüber informiert, wie Gender-Strategien den Umgang mit gefährlichen Chemikalien und Abfällen verbessern können. Die Veranstaltung fand im Rahmen der 14. Konferenz der Mitgliedstaaten der BRS-Konventionen (COP) in Genf statt. Hier verhandeln Vertreter*innen der Vertragsparteien der drei UN Chemikalienkonventionen darüber, wie gefährliche Chemikalien und Chemikalienabfälle global besser gemanagt werden können.

Babys sind bereits vor der Geburt durch Chemikalien belastet
Sofia Tapper vom schwedischen Ministerium für Umwelt und Energie und Sprecherin beim WECF Side Event, erinnerte daran, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein laufender Prozess sei. Sie wies darauf hin, dass Babys heutzutage bereits durch hunderten von gefährlichen Chemikalien belastet zur Welt kommen. Ein beunruhigendes Anliegen, das von der internationalen Gesundheitsgemeinschaft geteilt wird, die Regierungen zum Handeln auffordert (1).

Fallstudien: Gender- und Chemikalienstrategien auf lokaler Ebene
Der Gender Action Plan (2) der BRS-Konventionen beinhaltet unter anderem Aktivitäten in Pilotländern, um die geschlechtsspezifischen Dimensionen der Verschmutzung durch Chemikalien und giftigen Abfall besser zu verstehen. Bewährte Verfahren zu identifizieren, zu duplizieren und zu multiplizieren sieht Sascha Gabizon, internationale Direktorin von WECF, als Schlüssel zum Erfolg. Indira Zhakipova, Expertin für Chemikalien und Chemikalienabfall bei der kirgisischen NGO BIOM, berichtet über ihre Erfahrungen zu geschlechtsspezifischen Aspekten chemischer Abfälle in Kirgisistan. Das Land verfügt über 42 Deponien obsoleter Pestizide, die Schafe getötet und das Grundwasser verschmutzt haben. Gesundheitsstudien zeigen, dass Frauen, die in der Nähe dieser Pestiziddeponien leben oder mit Pestiziden im Baumwollanbau arbeiten, ein viel höheres Maß an reproduktiven Krankheiten aufzeigen und vermehrt Krebs haben, als der Rest der Bevölkerung.

Brennende Berge an Plastikmüll
„In der Nähe der Hauptstadt Bischkek brennt der Müllberg Tag und Nacht und verbreitet dadurch giftige Dämpfe in der Luft, im Wasser und in der Nahrung der Einwohner,“ erläutert Zhakipova. „Nachdem China seine Märkte für Plastikmüll geschlossen hat, ist statistisch zu belegen, dass Plastikschrottimporte sich jetzt auf Kirgistan verlegt haben. Ungewiss bleibt, wie viel von unserem Plastikmüll einfach auf Müllhalden verbrannt wird“, so Zhakipova.
Es ist daher von historischer Bedeutung, dass die Vertragsparteien des Basler Übereinkommens vereinbart haben, den Handel mit Kunststoffabfällen, von denen der größte Teil aus dem Westen stammt, nicht mehr zuzulassen (4). Dennoch wird es lange dauern, bis die vorhandenen Plastikmüllberge sicher beseitigt sind. Schätzungen zufolge sind 60% der Abfall Sammelnden in Bischkek Frauen. Sie sind bei dieser Tätigkeit täglich Dioxin und anderen toxischen Emissionen ausgesetzt. Befragungen zeigen, dass die Behörden bei Schulungsübungen häufig männliche Arbeitnehmer ansprechen, wohingegen Frauen in weitaus größerem Maße mit dem Umgang mit Pestiziden und Abfällen befasst sind. Frauen sind häufiger „unsichtbare“ und informelle Akteurinnen. Deshalb ist die Erhebung geschlechtsspezifischer Daten unerlässlich, um effektive Strategien und Maßnahmen in nationale und internationale Politiken einzubringen.

Instrumente zur effektiven Umsetzung von Gender Mainstreaming
Seit der Verabschiedung eines Gender-Aktionsplans ist Gender Mainstreaming zu einem übergreifenden Ansatz bei der Umsetzung der Chemikalien-Konventionen geworden. Der auf der Veranstaltung veröffentlichte Taschenleitfaden zum BRS-Gender-Aktionsplan (2) ebnet den Weg zur Umsetzung eines Gender-Ansatzes durch die Vertragsstaaten. Ein weiteres Instrument ist der von UNITAR entwickelte E-Learning-Kurs zu Gender, Chemikalien und Abfall (3). Dieser hilft zu verstehen, wie Frauen unterschiedlich von Chemikalien betroffen sind, wodurch geeignete Maßnahmen getroffen werden können.

Zweifellos würde die Schließung des so genannten Gender Gaps beim Management von Chemikalien- und Abfall den Aktionen der Vertragsparteien der BRS-Konventionen zugutekommen. Darüber hinaus dient er der Erreichung mehrerer Entwicklungsziele der 17 Ziele für eine Nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Agenda 2030, wie der Gleichstellung der Geschlechter (SDG5), Gesundheit und Wohlbefinden (SDG3) und verantwortungsvolle/r Produktion und Konsum (SDG12), die für einen sauberen Planeten und für gesunde Menschen von entscheidender Bedeutung sind.

Quellen

  1. Im Jahr 2015 veröffentlichte die Internationale Föderation der Gynäkologen und Geburtshelfer (FIGO) eine „Stellungnahme zu den Auswirkungen toxischer Umweltchemikalien auf die Reproduktionsgesundheit“ mit einer Liste von vier Empfehlungen (https://www.figo.org/sites/default) /files/uploads/News/Final%20PDF_8462.pdf, https://www.figo.org/sites/default/files/uploads/News/Final%20PDF_8462.pdf
  2. Der Leitfaden wurde vom Sekretariat der Konventionen und dem GRID-Arendal-Netzwerk mit Unterstützung Schwedens entwickelt. Mehr Information unter: http://www.brsmeas.org/Gender/BRSGenderActionPlan/PocketGuide/tabid/7999/language/fr-CH/Default.aspx
  3. Der Kurs ist Teil eines globalen Kurses zu Gender und Umwelt und wurde von der UN-Lernpartnerschaft zum Klimawandel vorgeschlagen: https://unccelearn.org/course/view.php?id=39&page=overview
  4. UNEP-Pressemitteilung ‚Regierungen einigen sich auf wegweisende Entscheidungen zum Schutz von Menschen und Planeten’ am 11. Mai 2019: https://www.unenvironment.org/news-and-stories/press-release/governments-agree-landmark-decisions-protect-people-and-planet
  5. Kontakt: Sascha Gabizon, WECF, sascha.gabizon@wecf.org