Unsere Analyse über die Verhandlungen der Basel, Rotterdam und Stockholm Konvention (BRS COP 2023)

Wichtige Fortschritte, überfällige Schutzmaßnahmen wieder verzögert, Gender im Blick und Lehren für das künftige globale Plastikabkommen

Genf, 12. Mai 2023

 

Wir von WECF haben auf der Dreierkonferenz der Vertragsparteien der Basel, Rotterdam und Stockholm Konvention (BRS COPs 2023) der Vereinten Nationen, die vom 1. bis 12. Mai in Genf stattfand, mitverhandelt. Es gibt einige Fortschritte in wichtigen Fragen des Chemikalienmanagements zu verzeichnen, allerdings auch weiterhin Versäumnisse beim Schutz vor hochgiftigen Stoffen.

Die 120 Vertragsparteien stimmten für das Verbot von drei hochgiftigen Chemikalien: der Kunststoffzusatzstoff UV-328, das Flammschutzmittel Dechloran Plus (das ebenfalls häufig in Kunststoffen verwendet wird) und das Pestizid Methoxychlor. Alle erfüllen die Kriterien des Übereinkommens als persistente organische Schadstoffe (POP), die für ein weltweites Verbot erforderlich sind.

Geeinigt haben sich die Delegierten auch über die Einführung von Einhaltungsmechanismen, nachdem sie mehr als 15 Jahre untätig geblieben waren. Allerdings haben sie es erneut versäumt im Rahmen der Rotterdam Konventionen, das Recht auf Information zu stärken und den Informationsaustausch zwischen den Ländern über den Handel mit gesundheitsgefährdenden Stoffen zu verbessern.

Gegenwind von Russland und Jordanien zum Gender-Mainstreaming

Auch das Thema Chemikalien und Gender findet bei den BRS-Konventionen grundsätzlich Unterstützung bei den Vertragsstaaten, wissend, dass Frauen* und Männer* unterschiedlich von der Exposition von Giftstoffen betroffen sind. Dennoch ist auch hier noch Luft nach oben. Seitens russischer und jordanischer Delegierte gab es vor allem zum Thema „Gender Mainstreaming“ starken Gegenwind. Die russische Föderation forderte sogar die Streichung des Verweises auf nicht-binäre Praktiken. In unserem Side Event „Tackling Toxics: Gender Dimensions in Chemicals and Waste Policies“ haben wir hier erneut auf die Gender Dimensionen hingewiesen, die auch zeigen, dass Frauen nicht nur besonders betroffen sind, sondern auch essentiell zur Lösung des Problems mit innovativen Ideen beitragen.

Sascha Gabizon | Bild: IISD/ENB – Kiara Worth

Sascha Gabizon, unsere internationale Direktorin, machte zum Agenda Punkt Gender Aspects and Gender Action Plan eine starke Intervention im Plenum.

Thank you Chair, my name is Sascha Gabizon, I speak on behalf of Women Engage for a Common Future.

Last year, I was visiting Africa’s biggest waste dump in Nairobi Kenya and I met with Winifred, she makes her livelihood from picking waste. Winifred is in her 20ties. 

Winifred’s health is bad. She suffers from extreme bleeding episodes and her 2 children, – twins -, were born with severe asthma. She will wait for the hospital waste trucks and look for asthma-inhalers that have already been used by hospital patients, to bring her children. The women waste pickers do not get to pick the waste of highest value. They are at the bottom of the social order, they have lowest revenues. 

Winifred and her co-waste pickers are exposed to a cocktail of toxic chemicals. Toxic chemicals that are constantly being emitted from the slowly burning waste, in majority plastic waste. Toxic chemicals that are carcinogens and endocrine disruptors. Although she has never been properly diagnosed, this is the most likely reason for Winifred’s and her children’s bad health. Many waste pickers are dying young. 

 So, in conclusion: women waste pickers suffer from different health impacts then men. In addition, they have additional unpaid care responsibilities for looking after ill family members. At the same time, women are leading change. We met amazing female entrepreneurs in Nairobi that were working with women on safe refurbishment of e-waste for example.

When working on the BRS conventions and transiting to a non-toxic, green, economy, we need to take these gender dimensions into account, in our programmes, funding and policies. That is why BRS undertakes actions on gender equality. Together with the BRS Secretariat and Member States we have been carrying out scoping studies in six countries, identifying good practices on the ground, doing trainings for stakeholders and sharing good policy practices.

We call on parties to ensure gender dimensions are included in their BRS implementation plans. We are also glad to invite you to join our gender side event TOMORROW evening at 6:15 pm in Conference room 3 where we will premiere a Training Film with lessons and best practices from our country studies in the African and MENA region. Thank you chair.   

Unsere Einschätzungen zu einigen Ergebnissen

Stockholm Konvention

„Das weltweite Verbot von UV-328 und des Flammschutzmittels Dechloran Plus, die beide auch in Plastik verwendet werden, sowie des  Pestizids Methoxychlor, dem die Delegierten der COP zustimmten, ist ein wichtiger Schritt zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Wir sind jedoch enttäuscht, dass finanzielle Interessen zu unnötigen und gefährlichen Ausnahmeregelungen geführt haben, die zu anhaltenden toxischen Belastungen führen werden. Diese Belastungen werden insbesondere Abfallarbeiter*innen und Gemeinden in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, in denen eben diese Materialien mit schädlichen Chemikalien landen, spüren. Die einzige Lösung besteht darin, diese und andere giftige Chemikalien schnell zu beseitigen und sicherere Alternativen einzuführen.“  Johanna Hausmann, WECF

In Bezug auf die kommenden Verhandlungen zu einem globalen Plastikabkommen, zeigt dieses Ergebnis des BRS COPs auch, wie wichtig ein globales rechtsverbindlichen Instruments zu Reduzierung der Plastikverschmutzung ist, das den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen berücksichtigt.

„Ende Mai werden die Staaten zu den Verhandlungen über ein Globales Plastikabkommen in Paris zusammenkommen, wo sie die historische Chance haben, die Gesundheit der Menschen wirklich zu schützen, indem sie starke Kriterien für die Entgiftung des Lebenszyklus von Kunststoffen entwickeln. Wir fordern die Staaten auf, den Spirit der BRS-COP weiterzutragen und in Paris die Gesundheit der Menschen über den Profit stellen.“ Johanna Hausmann, WECF

Basel Konvention

„Die von der COP verabschiedeten technischen Leitlinien für Kunststoffabfälle, bieten den Mitgliedstaaten eine Orientierungshilfe für den sicheren Umgang mit Kunststoffabfällen. Die Leitlinien sind ein Grundstein für stärkere, wirksamere Leitlinien in den kommenden Jahren und werden die anstehenden Verhandlungen über ein künftiges Kunststoffabkommen ergänzen.

Nach jahrelangem NGO Einsatz erkennen viele Delegierte endlich, dass die von der Industrie entwickelten “Lösungen” für die Kunststoffkrise, einschließlich des chemischen Recyclings, Teil einer Strategie sind, die ausschließlich darauf abzielt, die Kunststoffproduktion aufrechtzuerhalten und die Gewinne der Unternehmen zu sichern. Während die Leitlinien angenommen wurden, bleibt der Teil über “chemisches Recycling” in Klammern, um zu unterstreichen, dass diese Technologie nicht als umweltverträgliche Methode der Kunststoffabfallbewirtschaftung angesehen werden kann. Wir von WECF sehen Chemisches Recycling als falsche Lösung. Für uns steht die Reduktion der Kunststoffproduktion an erster Stelle um Plastikverschmutzung zu verringern.“ Sascha Gabizon, WECF

Rotterdam Konvention

Seit Jahren blockieren einige wenige Länder die Aufnahme schädlicher Chemikalien wie Chrysotilasbest, Acetochlor, Carbosulfan, Fenthion und Paraquat in die Rotterdamer Konvention aus nationalen und/oder Unternehmensinteressen. Die Aufnahme dieser schädlichen Chemikalien in die Liste hätte zumindest das Recht auf Informationen über ihre Toxizität durchgesetzt; auch in diesem Jahr wurde es erneut blockiert. Heute ist es denselben wenigen Ländern gelungen, einen ehrgeizigen Vorschlag zu blockieren, der es dem Übereinkommen ermöglicht hätte, trotz des Widerstands einiger weniger Vertragsparteien endlich aus dem Koma zu erwachen und Entscheidungen zu treffen.

„Dies ist ein trauriger Tag für die Gesundheit und das Leben von Arbeitnehmer*innen, Landwirt*innen und Bürger*innen auf der ganzen Welt und ein Versagen beim Schutz des Rechts der Gemeinschaften auf Wissen. Es ist jedoch ermutigend zu sehen, dass 70 % der Staaten den Vorschlag unterstützt haben, auch wenn 75 % erforderlich gewesen wären, um ihn anzunehmen.“ Sascha Gabizon, WECF

 

Die Fortschritte, die auf der BRS-COPs erzielt wurden, sind auch Basis für künftige Verhandlungen zum Schutz der Gesundheit von Gemeinschaften und des Planeten, einschließlich der Verhandlungen über ein globales Plastik Abkommen, um die Plastikverschmutzung zu stoppen. Die nächste Verhandlungsrunde dazu findet in der Woche vom 29. Mai bis 2. Juni in Paris statt: Wir von WECF werden dabei sein. 

 

Weitere Infos

Bild im Header: IISD/ENB – Kiara Worth