“The Peace we want” – Gina Cortés Valderrama erzählt von dem bedrohten Friedensabkommen in Kolumbien

Kolumbien: Die kürzliche Ermordung von Javier Ordóñez durch Polizeikräfte hat einen wütenden Protest ausgelöst, der weitere acht junge Leben auf der Seite der Bevölkerung kostete. Angesichts dieser jüngsten Gewalt durch Sicherheitskräfte, verfasste unsere Kollegin Gina eine Rede im Rahmen der digitalen Konferenz “The Peace We Want – 75 Jahre Vereinte Nationen”, in der es um die Rolle der Digitalisierung zu Erreichung des globalen Friedens geht.

“Mein Name ist Gina Cortés Valderrama und ich komme aus einem Land, in dem der Einsatz von Waffen zur Norm geworden ist, um die Kontrolle über seine Bürger*innen sicher zu stellen. Ich komme aus einem Land, das, obwohl es in Bezug auf Flora und Fauna das zweitgrößte Megadiversum der Welt ist, aufgrund des Konflikts, der durch die Hände der Guerilla, des Militärs und der multinationalen Unternehmen verursacht wird, nicht in der Lage ist, sich friedlich an einem solchen Geschenk zu erfreuen.

Seit meiner Geburt vor 27 Jahren, höre ich Tag für Tag Geschichten, in denen exzessive Gewalt- und Terrorakte erzählt werden; Geschichten, die jenseits unserer Vorstellungskraft liegen und die mit dem Schmerz von Millionen von Familien geschildert werden.

Nach Angaben von Indepaz, dem Institut für Entwicklung und Friedensstudien, gab es erst im letzten Monat alle zwei Tage ein Massaker in meinem Land Kolumbien. In den letzten Tagen haben die Proteste gegen die Gewalt der Polizei und der Streitkräfte gegenüber Bürger*innen zum Tod junger Menschen zwischen 17 und 27 Jahren geführt. Ich frage mich: Wer schert sich um uns von denen, die sich um uns scheren sollten?

Diese Akte systematischer und struktureller Gewalt, die nun schon seit Monaten andauern, haben zu einem wachsenden Misstrauen der Zivilgesellschaft gegenüber den Institutionen und dem Staat selbst geführt. Wie in diesem und ähnlichen Szenarien auf der ganzen Welt, haben digitale Räume es den Bürger*innen ermöglicht, gemeinsam daran zu arbeiten, die Verletzungen der Menschenrechte rechtzeitig anzuprangern. Die Kommunikation über soziale Netzwerke und andere Mittel hat es der internationalen Gemeinschaft ermöglicht, etwas über die Realität in jenen Teilen der Welt zu erfahren, die seit Jahrzehnten stark von Gewalt betroffen sind.

Gina auf der COP25 in Madrid

Im Rahmen der Maßnahmen zu Social Distancing, die in Anbetracht von COVID-19 durchgeführt wurden, wurde klarer, wie wichtig es ist, den Zugang zu virtuellen Räumen und digitalen Werkzeugen zu gewährleisten. Die Technologie verspricht nicht nur Agilität und Konnektivität, sondern auch eine schnellere Reaktion auf Konflikte und globale Solidarität. Es ist ein Raum, in dem wir, die Jugend, Mädchen* und Jungen*, uns einen Weg geschaffen haben, um in Diskussionen über unsere Zukunft unsere Stimmen einzubringen. Digitale Tools haben die Schaffung kollektiver Plattformen ermöglicht, auf denen Frauen- und Gender-Organisationen aus allen Regionen der Welt die Grundprinzipien für eine gerechte und resiliente Bewältigung unserer aktuellen Herausforderungen darlegen konnten.

Eine der größten Herausforderungen besteht nach wie vor darin, eine ethische Gestaltung und Umsetzung zu gewährleisten, mit der sicher zugängliche Online-Räume und digitale Tools für alle garantiert werden können. Die Konflikte, die den Frieden behindern, sind eingebettet in extreme Ungleichheit, strukturellen Rassismus, geschlechtsspezifische Gewalt und Ausgrenzung, bei denen eine Ordnung von Privilegien für einige wenige und der Mangel an Chancen für andere gilt. Dies kann unter keinen Umständen durch den Zugang zu und die Nutzung von digitalen Werkzeugen verschärft werden.

In diesem Punkt spielen die Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle. Sie müssen sicherstellen, dass durch die Digitalisierung politische und soziale Plattformen erschafft werden können, mit dem Ziel, zu Methoden vorzudringen, die die Beteiligung der Zivilgesellschaft und die Verteidigung des Friedens gewährleisten; Plattformen, die mit der internationalen Zusammenarbeit Hand in Hand gehen und humanitäre Dialoge und Räume der Versöhnung fördern.

Wir können es nicht zulassen, dass der Frieden von Regierungen oder autoritären Institutionen auf der Suche nach Machtanhäufung abhängig ist. Friedensprozesse erfordern Transparenz, Engagement und kollektives Handeln. Nur so ist es möglich, Vertrauen zurückzugewinnen, einen universellen Wert, der vom Aussterben bedroht ist.

Die Charta der Vereinten Nationen wurde unter dem Prinzip der kollektiven Stärkung des universellen Friedens gegründet. In diesem Jahr, in dem wir das 75-jährige Bestehen der Vereinten Nationen feiern, rufe ich dazu auf, dass wir gemeinsam eine Zukunft des Friedens aufbauen. Ich bin eine kolumbianische Frau, die trotz der gegenwärtigen Umstände in meinem Land immer noch voller Hoffnung ist, irgendwann das Recht anerkannt zu bekommen, in einer gesunden Umwelt leben zu dürfen, in der Terror nicht die Norm ist.

Ich bitte die hier Anwesenden, uns jungen Menschen in allen Ecken dieses Planeten und in all unserer Vielfalt zu helfen, Frieden zu schaffen. Das erreichen wir, indem wir Räume sicher stellen, in denen wir die Dunkelheit in den Straßen unserer eigenen Viertel nicht fürchten müssen, in denen wir keine Ablehnung oder Hass aufgrund unseres Herkunftsortes, unserer Hautfarbe oder unseres Geschlechts, mit dem wir uns identifizieren, erfahren. Räume, in denen Frauen* die Möglichkeit haben, an Diskussionstischen zu sitzen, um den Wandel, den wir uns wünschen, mitzugestalten. Räume, in denen Mutter Erde respektiert wird und Klimagerechtigkeit in jedem Winkel dieser Welt erreicht wird.

Möge Frieden nicht in unserer Vorstellung als ein ferner und unmöglich zu verwirklichender Traum bleiben. Möge Frieden über die Diskurse des Hasses hinausgehen und uns die Freiheit geben, uns an einer vollwertigen Existenz zu erfreuen.”

 

There are no rights on a dead Planet – Zum fünfjährigen Jubiläum der SDGs stellen wir besondere Forderungen an den UN-Menschenrechtsrat