Petrochemische Interessen gefährden die Verhandlungen über das Plastikabkommen

Bild im Header: James Wakibia

Trotz eines nachdrücklichen Aufrufs der Zivilgesellschaft konnten die Länder keine Übereinstimmung über die intersessionale Arbeit für die nächste Verhandlungsrunde erzielen

Nairobi, Kenia – Die dritte Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC-3) für ein globales Abkommen zur Beendigung der Plastikverschmutzung ging am späten Sonntagabend am UNEP-Hauptsitz in Nairobi zu Ende. Trotz eines Mandats für die Überarbeitung des nun vorliegenden Entwurfs gelang es den Mitgliedstaaten nicht, eine Einigung über die wichtigsten Schritte für die intersessionelle Arbeit im Vorfeld der für April 2024 geplanten vierten Verhandlungsrunde, INC-4, zu erzielen. Damit sind wichtige Fortschritte für den Vertragsprozess gefährdet.

Angesichts des Einflusses der Petrochemie auf die Vertragsverhandlungen, einschließlich der “geringen Ambitionen” einer Gruppe “gleichgesinnter” kunststoffproduzierender Länder und des mangelnden Ehrgeizes der so genannten “ambitionierten” Länder, endete die INC-3 ohne konkrete Fortschritte für die Umsetzung des den Verhandlungen zugrundeliegenden UNEA Mandats. 2022 hatte die fünfte Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA 5.2) das Mandat erteilt, einen umfassenden und rechtsverbindlichen Vertrag auszuhandeln, der Maßnahmen zum Schutz vor Plastikverschmutzung für den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen umfasst.

Nach sieben Verhandlungstagen wurde auf der INC-3 die Gelegenheit verpasst, die Weichen für eine zielgerichtete Arbeit zwischen den Verhandlungsrunden zu stellen, einschließlich der Entwicklung von Zielvorgaben, Basiswerten und Zeitplänen für eine Reduzierung g der Kunststoffproduktion sowie strenger Mechanismen zur Berichterstattung zur Information und Überwachung der Einhaltung eines globalen Reduktionsziels.

Trotz des enttäuschenden Ergebnisses dieses INCs befürworteten einige Länder, insbesondere Länder der so genannten SIDS-Staaten, Small Island Developing States, und der afrikanischen Staaten, nachdrücklich Regelungen für die Kunststoffproduktion, bedenkliche Chemikalien, den Schutz der Gesundheit von Mensch und Umwelt sowie der Menschenrechte, die Anerkennung der Bedeutung des Wissens indigener Völker und die Festlegung des Weges für einen gerechten Übergangsprozess. Der Einfluss einer Gruppe von Ländern, die fossile Brennstoffe und Kunststoffe produzieren, hat diese Perspektiven jedoch zunichte gemacht.

Die Mitgliedstaaten haben immer noch die Möglichkeit, bis Ende 2024 eines der bedeutendsten Umweltabkommen der Geschichte abzuschließen. Zwei weitere INCs stehen noch aus. Die INCs müssen strenge Bestimmung zum Umgang mit Interessenkonflikten einführen und überdenken, wie sie mit Ländern umgehen, die die Ambitionen des Verhandlungsprozesses bewusst blockieren.

„Plastik ist nicht nur Plastikmüll, in dem wir und ganze Ökosysteme ersticken. Plastik ist auch eine Ansammlung vieler schädlicher Chemikalien, denen Mensch und Natur entlang des ganzen Lebenszyklus von Plastik ausgesetzt sind – von der Rohstoffgewinnung, über die Produktion, den Gebrauch bis hin zum Abfall und dem vermeintlich unbedenklichen Recycling. Die Wissenschaft assoziiert diese Stoffe mit der Zunahme von Krankheiten wie Krebs, Frucktbarkeitsstörungen und neurologischen Auffälligkeiten. Frauen und Kinder sind besonders durch die Exposition gegenüber Chemikalien gefährdet. Nur die Reduktion der Produktion schützt Gesundheit und den Planeten vor diesen negativen Auswirkungen. Diese überwiegen die potentiellen Nutzen von Kunststoffen. Ein starkes Abkommen muss die Reduktion der Produktion, ein Verbot schädlicher Chemikalien, Transparenz als dringende Maßnahmen zum Schutz vor Plastikverschmutzung im Fokus haben, und nicht den profitinteressen einzelner Länder Folge leisten. Noch haben wir eine Chance dahin zu kommen.“ Johanna Hausmann, Senior Policy Advisor WECF

WECF- Pressekontakt | Johanna Hausmann | johanna.hausmann@wecf-consultant.org | +49 (173) 8010040

WECF ist Mitglied der Initiative Exit Plastik. Dort gibt es weitere Informationen zum Plastikabkommen sowie auf Social Media (@exitplastik)

Gender Aspekt

Frauen sind aufgrund biologischer und sozialer Faktoren hier und weltweit anders von der Exposition gegenüber schädlichen Chemikalien betroffen. Dies muss Eingang in die Risikobewertung, in Biomonitoring und in politische Maßnahmen im Rahmen einer geschlechtergerechten Chemikalienpolitik haben. Dieser Aspekt muss in allen Politikprozessen Berücksichtigung finden.

 

Foto: break free from plastic

Die Mitglieder von Break Free From Plastic reagieren auf das Ende der dritten Verhandlungsrunde INC-3 für ein Plastik Abkommen:

“Die INC-3 endet mit einem eindringlichen Appell an die Mitgliedstaaten, das Wesentliche eines Vertrags, den wir brauchen, nicht aus den Augen zu verlieren: einen Vertrag, der konkrete und rechtsverbindliche Verpflichtungen zur Verringerung der Primärproduktion von Kunststoffen, zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Umwelt und zur Priorisierung der von systemischer Verschmutzung betroffenen Kommunen und Regionen enthält. Wir gehen den Weg zu INC-4 mit dieser Option auf dem Tisch, mit breiter Unterstützung der Länder, aber mit Straßensperren, die hier von den Interessen der fossilen Brennstoffe errichtet wurden, die einen sinnvollen Fortschritt verhindern.” Daniela Duran, Senior Legal Campaigner, Upstream Plastic Treaty, Center for International Environmental Law (USA & Schweiz)

 Weitere Reaktionen von Mitgliedern des Brake free from Plastic Bündnis und Verbündeten (einschließlich weiterer Länder und Sprachen) finden Sie hier.

 

Die Woche im Einzelnen

Der größte Teil der INC-3-Woche wurde in drei Kontaktgruppen verbracht:

  • (1) Kontaktgruppe 1 prüfte die ersten beiden Teile des “Zero Drafts“: Teil I (Präambel, Ziel, Definitionen, Grundsätze und Geltungsbereich) und Teil II (Primäre Kunststoffpolymere, bedenkliche Chemikalien und Polymere, problematische und vermeidbare Kunststoffe, Belastungen, Produktdesign – einschließlich Wiederverwendung -, Ersatzstoffe, erweiterte Herstellerverantwortung, Emissionen, Abfallmanagement, Handel, bestehende Kunststoffverschmutzung, gerechter Übergang und Transparenz).
  • (2) Die Kontaktgruppe 2 konzentrierte sich auf die beiden zweiten Teile des “Zero Drafts”: Teil III (Finanzierung und Kapazitätsaufbau) und Teil IV (Nationale Pläne, Umsetzung und Einhaltung, Berichterstattung und Überwachung).
  • (3) Die Kontaktgruppe 3 schließlich erörterte den Synthesebericht, der Elemente enthält, die bei den vorangegangenen Sitzungen und der Arbeit zwischen den Sitzungen nicht diskutiert wurden.

Im Laufe der Woche deckten zivilgesellschaftliche Organisationen den Interessenskonflikt innerhalb des INC-3-Prozesses auf, beginnend mit der Veröffentlichung einer Analyse der Teilnehmer*innen, aus der hervorging, dass sich 143 Lobbyist*innen der fossilen Brennstoff- und Chemieindustrie für INC-3 angemeldet hatten, was einem Anstieg von 36 % gegenüber INC-2 entspricht; einige von ihnen waren unter den Delegationen von sechs Mitgliedstaaten registriert. Die Zahl der Industrielobbyist*innen war deutlich höher als die der 38 Teilnehmer*innen der Scientists Coalition for an Effective Plastics Treaty. Zu Beginn der Woche reagierten zivile Organisationen auch auf die Bildung einer “gleichgesinnten” Gruppe, die sich unter einigen Kunststoff produzierenden Ländern gebildet hat.

Auf der INC-3 wurde vereinbart, dass die nächste Verhandlungsrunde (INC-4) vom 21. bis 30. April 2024 in Ottawa, Kanada, und die INC-5 vom 25. November bis 1. Dezember 2024 in Busan, Republik Korea, stattfinden wird. Botschafter Luis Vayas Valdiviezo (Ecuador) wird dem weiteren Verlauf des INC-Prozesses vorsitzen.

 

Hinweise für den Herausgebende

 

Über BFFP – #BreakFreeFromPlastic ist eine globale Bewegung, die sich für eine Zukunft ohne Plastikverschmutzung einsetzt. Seit dem Start im Jahr 2016 haben sich mehr als 2.700 Organisationen und 11.000 Einzelpersonen aus der ganzen Welt der Bewegung angeschlossen, um eine massive Reduzierung von Einwegplastik zu fordern und auf dauerhafte Lösungen für die Krise der Plastikverschmutzung zu drängen. Die Mitgliedsorganisationen und Einzelpersonen des BFFP teilen die Werte des Umweltschutzes und der sozialen Gerechtigkeit und arbeiten mit einem ganzheitlichen Ansatz zusammen, um einen systemischen Wandel herbeizuführen. Das bedeutet, dass die Kunststoffverschmutzung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg – von der Gewinnung bis zur Entsorgung – angegangen wird, wobei der Schwerpunkt auf der Vorbeugung und nicht auf der Heilung liegt und wirksame Lösungen angeboten werden. www.breakfreefromplastic.org.

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