Die Plastikverschmutzung zu beenden ist eine ökofeministische Priorität!
Wir waren mit unseren politischen Partner*innen bei den Plastik-Verhandlungen (INC-4) in Ottawa
Vom 22. bis 30. April fand die vierte Verhandlungsrunde für ein „Globales Abkommen zur Beendigung der Plastikverschmutzung“ in Ottawa, Kanada, statt, an der auch wir von WECF und viele unserer Partner*innen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa teilnahmen. Als zivilgesellschaftliche Organisationen sitzen wir mit am Verhandlungstisch und organisieren uns in globalen Koalitionen wie dem International Pollution Elimination Network (IPEN), Break Free from Plastics (BFFP) und der Women’s Major Group (WMG) bei UNEP.
Von der UNEA-Resolution zum globalen rechtsverbindlichen Vertrag
Auf der fünften Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) haben die Regierungen der Welt Anfang 2022 erklärt (UNEA-Resolution 5.14), dass die Plastikverschmutzung eine globale Bedrohung darstellt, und beschlossen, dass es eine globale Antwort braucht: ein Abkommen zur “Beendigung der Plastikverschmutzung”. Die Regierungen haben eine Frist von drei Jahren für die Aushandlung dieses neuen globalen Abkommens festgelegt, ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen. Vom 22. bis 30. April fand nun in Ottawa, Kanada, die vierte Verhandlungsrunde statt (INC-4), die vom Sekretariat des Internationalen Verhandlungskomitees (INC) unter der Leitung von Frau Jyoti Mathur-Filipp koordiniert wurde, mit Vertreter*innen fast aller 194 UN-Mitgliedstaaten sowie über 2.000 Beobachter*innen, darunter zahlreiche frauengeführte und ökofeministische Organisationen.
Warum sind die Plastikverhandlungen wichtig?
Die auf dem Markt befindlichen Kunststoffe bestehen zu etwa 99% aus Erdöl (fossilen Brennstoffen), das mit schädlichen Chemikalien als Zusatzstoffen (Additive) vermischt ist. Die fossile Brennstoffindustrie rechnet in den kommenden Jahrzehnten mit einer Vervierfachung der Kunststoffproduktion. Der gesamte Lebenszyklus von Kunststoffen ist eine große Quelle gefährlicher Verschmutzung, von der Gewinnung fossiler Brennstoffe, der Raffinierung, der Polymerproduktion, über die chemischen Zusätzen und die Verwendung von Kunststoffen – die giftige Chemikalien in unserem Wasser, unsere Nahrung und in unseren Körpern – bis hin zum Ende, wenn Plastikmüll unsere Ozeane und die Umwelt mit Mikroplastik und Chemikalien verschmutzt.
Unsere Internationale Direktor Sascha Gabizon nahm für WECF an den Verhandlungen teil und sprach sich für eine “Obergrenze” für die Produktion von Neukunststoffen, die als PPP (Plastic Polymer Production) bezeichnet wird, und für ein Verbot giftiger Chemikalien in Kunststoffen aus. (siehe Video).

Der erste Atemzug von Kindern ist voller Mikroplastik
Als Menschen sind wir Teil des Umweltökosystems. Ist die Umwelt mit Plastik verschmutzt ist, sind wir es auch. Jüngste Forschungen zeigen, dass die Spucke von neugeborenen Kindern Mikroplastik enthält, und dieses Mikroplastik enthält giftige Chemikalien; Kinder werden vorbelastet geboren. Mikroplastik kommt im menschlichen Blut und in der Plazenta vor (Guardian 2024) und wandert in unser Gehirn. Die gefährlichen Chemikalien, die in Kunststoffen verwendet werden, wie Bisphenol-A, Phthalate und bromierte Flammschutzmittel können u.a. neurotoxisch, reprotoxisch und hormonell wirksam sein und werden mit Krankheiten in Verbindung gebracht, die oft irreversibel sind, wie Brustkrebs und Unfruchtbarkeit. Als Vertreterinnen der Women’s Major Group haben wir unsere große Besorgnis über die gesundheitlichen Auswirkungen der Plastikverschmutzung zum Ausdruck gebracht und uns dafür eingesetzt, den Verhandlungstext zu diesem Punkt zu stärken, darunter Yuyun Ismawati (siehe Video) und Dalia Marquez (siehe Video) im Namen der Frauengruppen. Siehe die WECF-Veröffentlichung über Kunststoffe hier.

Kunststoff- und Ölindustrie stark vertreten bei den Plastikverhandlungen
Die petrochemische Industrie setzt viele Ressourcen ein, um den Vertrag zu schwächen. An der INC-4 nahmen mehr Lobbyist*innen der Kunststoffindustrie teil, als Regierungsvertreter*innen der Europäischen Union, die die größte Regierungsdelegation hatte (siehe Bericht CIEL). Dies ist eindeutig ein Interessenkonflikt: Plastiklobbyist*innen sollten nicht mit am Tisch sitzen! Die petrochemische Industrie schickte nicht nur ihre Lobbyist*innen, sondern überschwemmte die Stadt Ottawa auch mit einer Pro-Plastik-Propagandakampagne auf Plakatwänden, die Fake News über die sogenannten gesundheitlichen Vorteile von Kunststoffen verbreitete. Als Reaktion darauf musste die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Regierungen darüber informieren, dass die Informationen der Pro-Plastik-Kampagne falsch waren und dass der Gesundheitssektor auf keinen Fall von dem Vertrag ausgeschlossen werden sollte. Gesundheitsorganisationen veröffentlichten einen offenen Brief an die Verhandlungsführenden der Regierung, der von sechs Millionen Vertreter*innen der Gesundheitsberufe unterzeichnet wurde. Die Erklärung zur Gesundheitsversorgung ohne Schaden findet sich hier.
Es gibt keine “End-of-Pipe”-Lösungen – die Plastikverschmutzung muss an der Quelle gestoppt werden
Recycling, insbesondere das Recyclings von Schadstoffen in Plastik, ist keine Lösung für die Plastikverschmutzung. Um die Plastikproblematik in den Griff zu bekommen, muss am Beginn des Lebenszyklus angesetzt werden, indem die Produktion von Plastik drastisch reduziert wird und der Zusatz giftiger Chemikalien verboten wird. Das haben wir bereits während UNEA6 gefordert und Regierungen daran erinnert, dass giftige Chemikalien in Kunststoffen nicht “recycelt”, sondern vollständig abgeschafft werden sollten (Pressemitteilung von IPEN). Unsere Partnerinnen Dorothee Adhiambo und Griffins Ochieng von CEJAD, Kenia, haben in ihren Labortests von Spielzeug und Kosmetikprodukten für Frauen (aus recyceltem Kunststoff), die sie in Kenia durchgeführt haben, den Nachweis erbracht, dass recycelte Kunststoffe zum Teil einen noch höheren Gehalt an giftigen Chemikalien aufweisen als neue (siehe Link).
Unternehmerinnen weisen den Weg zu plastikfreien Lösungen
Ein wichtiger Punkt bei den Verhandlungen war für uns mit den Verhandlungsführer*innen der Regierungen – unter anderem mit der Umweltministerin von Ruanda – darüber zu diskutieren, warum der Vertrag die wirtschaftlichen Alternativen zu Kunststoffen, die von Frauen entwickelt werden, zu fördern. Ruanda ist eines der Länder, die die “High Ambition-Koalition“, die Gruppe von Staaten, die sich für ein starkes umfassendes Plastikabkommen einsetzen, bei den Kunststoffverhandlungen anführen. Ruanda schlug einen Text vor, um die Produktion von Neuplastik an der Quelle zu reduzieren. Ruanda war auch das erste afrikanische Land, das Plastiktüten komplett verboten hat, und seitdem ist die Produktion von plastikfreien Alternativen ein Wirtschaftszweig, von dem vor allem Frauen profitieren (siehe Tweet).
Ein weiteres großartiges Beispiel ist die Unternehmerin Anita Shah aus “Green Stem” Kenia (die eine Rolle in unserem Dokumentarfilm Tackling Toxics spielt), die Tausende von Alternativen zu Einweg-Lebensmittelverpackungen und -utensilien aus Plastik herstellt.

Zusammenarbeit mit weiblichen Regierungsdelegierten
WECF hat gemeinsam mit der Women’s Major Group (WMG) bei UNEP, mit IPEN, HEJ-Support und Exit-Plastik Deutschland die Initiative ergriffen, ein Mittagessen für die weiblichen Delegierten zu organisieren. Dies war eine großartige Gelegenheit, informell über unsere Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf Frauen und Kinder zu diskutieren und darüber, warum wir die Verhandlungsführer*innen auffordern, einen rechtsverbindlichen Vertrag zu schaffen, der giftige Chemikalien aus der Kunststoff-Wertschöpfungskette fernhält und die Verschmutzung durch Neuplastik an der Quelle begrenzt. Wir trafen uns in verschiedenen Sprachgruppen mit französisch-, spanisch- und arabischsprachigen Teilnehmer*innen. Die WMG teilte ihre Stellungnahme mit den Delegierten. Die 16-jährige Jugenddelegierte Nina aus Indonesien gab uns eine aufmunternde Ansprache, in der sie sagte, dass sie auf die Delegierten zählt, um junge und zukünftige Generationen zu schützen (siehe Video). Nindhita Proboretno von der WECF-Partnerorganisation “Nexus3 Foundation”, Indonesien, teilt ebenfalls ihre Besorgnis darüber, dass Frauen, die in sogenannten “Kunststoffrecycling”-Anlagen arbeiten, unwissentlich und unfreiwillig hohen Konzentrationen giftiger Chemikalien ausgesetzt sind, siehe Video.

Im weiteren Verlauf der Verhandlungen wurde von einigen Mitgliedstaaten ein Text vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass der Vertrag geschlechtergerecht umgesetzt wird, auch durch Gender-Aktionspläne. Gleichzeitig versuchen viele Anti-Gender-Regierungen Streichungen zu erreichen, so dass in der Sitzungspause größere Anstrengungen erforderlich sind, um INC-5 im November 2024 in Busan zu verabschieden.Sie können sich unserer Arbeit für eine plastikfreie Zukunft anschließen und sie unterstützen, indem du unserem ökofeministischen Netzwerk und der Women’s Major Group bei UNEP beitrittst.
Weitere Infos