Workshops an der TU Darmstadt: Genderungleichheiten in MINT-Fächern für eine inklusive Energiewende bekämpfen

Die Gleichstellung der Geschlechter in MINT-Studiengängen stellt einen wichtigen Hebel dar, um der Unterrepräsentation von FLINTA* im Energiesektor entgegenzuwirken. Daher ist ein erster Schritt zur Überwindung des Gender Gap in der Energiewende die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Fragen bereits vor dem Eintritt von Studierenden ins Berufsleben. Aber aufgrund verschiedener struktureller Ursachen und Barrieren sind FLINTA* in MINT-Studiengängen nach wie vor unterrepräsentiert. In Deutschland ist der Frauenanteil in MINT-Fächern zwar gestiegen, liegt aber oft nicht über 35 %, mit Ausnahme von Innenarchitektur, wo der Frauenanteil im Jahr 2021 bei 88,2 % lag [1]. 

Um diese Ungleichheit zu thematisieren, organisierten wir in Zusammenarbeit mit dem Gleichstellungsbüro der Technischen Universität Darmstadt zwei Workshops, die auf die Förderung von Gendergerechtigkeit in MINT-Studiengängen abzielten.

FLINTA* in MINT – Wege zu mehr Vielfalt

Am Mittwoch, den 30. Oktober, fand der erste Workshop unter dem Titel „FLINTA* in MINT – Wege zu mehr Vielfalt“ statt. Der zweistündige Workshop, der sich an FLINTA* Studierende richtete, setzte auf interaktive Methoden, um einen sicheren Raum für Selbstreflexion und Austausch über Geschlechterstereotype, fehlendes Bewusstsein und Barrieren zu schaffen, mit denen FLINTA* im MINT-Studium an der TU Darmstadt konfrontiert sind.   

Eine Vertreterin des Gleichstellungsbüros der TU Darmstadt stellte die aktuellen Maßnahmen der Universität zu Gleichstellung und Anti-Diskriminierung vor. Dazu gehörten unter anderem Richtlinien gegen Belästigung, Beratungsangebote sowie Mentoring-Programme.

Best-Practice-Beispiele und Visionen

Wir von WECF präsentierten Best-Practice-Beispiele aus anderen MINT-Studiengängen, wie etwa Frauenstudiengänge, Gender Awards und Programme, die Gender-Aspekte in die Lehre integrieren. Diese Programme wurden mit den Teilnehmer*innen diskutiert, um herauszuarbeiten, welche Ansätze anwendbar für sie sind. Ein Fragebogen zur Selbstreflexion ermöglichte es den Teilnehmer*innen, über bestehende Programme, ihre eigenen Karrierewege und den Bedarf an geschlechtergerechteren Veränderungen der Universitätsstrukturen nachzudenken

Der Workshop endete mit einem gemeinsamen Austausch von Visionen für zukünftige Veränderungen an der Universität. Trotz positiver Entwicklung gibt es noch viel zu tun. Wann werden wir endlich die Debatte abschließen, wie die Repräsentation von FLINTA* in MINT-Fächern nachhaltig erhöht werden kann?

Gender Mainstreaming in Energiestudiengängen – Gemeinsam auf dem Weg in eine nachhaltige und gerechte Zukunft

Da ein Großteil der Arbeit auf institutioneller Ebene, d.h. von den Universitäten selbst, geleistet werden muss, haben wir mit dem TUDa-Gleichstellungsbüro einen weiteren Workshop vorbereitet, der sich an eine breitere Zielgruppe, bestehend aus Professor*innen, Dozent*innen, Universitätsmitarbeiter*innen und Student*innen, richtete. Der Workshop „Gender Mainstreaming in Energiestudiengängen – Gemeinsam auf dem Weg in eine nachhaltige und gerechte Zukunft“ war für den 31. Oktober im Rahmen der Nachhaltigkeitstages von drei Hochschulen in Darmstadt geplant.

Der Workshop zielte darauf ab, einen gemeinsamen Austausch über bestehende Geschlechterstereotype und Vorurteile in MINT-Studiengängen anzuregen. Best-Practice-Beispiele deutscher Hochschulen, die Gender-Mainstreaming-Ansätze in MINT-Fächern implementieren, sollten dabei vorgestellt und diskutiert werden. Idealerweise sollten die Teilnehmer*innen im praktischen Teil des Workshops in Gruppenarbeiten ein interdisziplinäres Seminar oder Modul unter Berücksichtigung von Gender-Aspekten entwickeln.

Sexismus an technischen Hochschulen

Dieser letzte geplante Workshop konnte aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl leider nicht wie geplant durchgeführt werden. In der Forschung besteht jedoch ein generelles Bewusstsein, dass Gendergerechtigkeit auch in den cis-männlich dominierten Bereichen der MINT-Fächer von Bedeutung ist. Zahlreiche Studien beleuchten die Problematik von Sexismus und genderspezifischen Barrieren an technischen Hochschulen, in Energieunternehmen sowie in Architektur- und Ingenieur*innenbüros. 

Sobald jedoch Begriffe wie “Gender” oder “Frau” in Kapazitätsaufbau-Programmen aufgenommen werden, wie in dem hier angebotenen, ist die Rückmeldung, insbesondere von cis-Männern, dass es sich um ein “Frauenthema” handele und dieses daher nicht von Interesse oder Relevanz für sie wäre. Dies macht die feministische Arbeit im Energiesektor zu einer manchmal ermüdenden Aufgabe, insbesondere wenn viel Zeit und Energie in Veranstaltungen investiert wird, die darauf abzielen, die gemeinsame Verantwortung für den Wandel des patriarchalen Systems zu betonen, das in der MINT-Bildung, -Forschung und -Wirtschaft verankert ist.

Feminismus ist auch Männerthema

Zumindest sollte es Aufgabe der Hochschulen und ihrer Mitarbeitenden sein, zu hinterfragen, für wen gerade der technische Fortschritt von Bedeutung ist, wer davon profitiert und wer finanziell daran teilhaben kann. Wir alle sollten uns fragen, für wen wir die Energiewende gestalten, für wessen Zukunft wir argumentieren und wer tatsächlich an den Entscheidungsprozessen über die Energiewende und Energietechnologien beteiligt ist. Das ist kein Frauenthema und sollte auch nicht so gesehen werden. Es als solches abzutun, bedeutet, die sozialen Dynamiken zu ignorieren, die die heutigen Strukturen, in denen wir leben und arbeiten, geprägt haben. Zudem verwehrt es uns, die Gefahren eines fortschritts- und technologieorientierten Denkens zu erkennen, das antidemokratische und antifeministische Tendenzen fördert. 

[1] EUWES Deliverable 1.2 Report on mapping of national gender policies in the energy sector, WECF, 2023.

 

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Foto von Jeswin Thomas