„Wir spielen mit ihren Leben“ – Pakistans Flutkatastrophe hätte verhindert werden können

Gestern begann die 27. Weltklimakonferenz (COP27) im Ägyptischen Sharm el-Sheikh. Wir wollen den Vertreter*innen aus 197 Ländern ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht nur über das Klima der Welt sondern über Menschenleben entscheiden. Deutlich wird dies im Bericht der Medizinstudentin und Menschenrechtsaktivistin Alisha Qamar. Sie spricht von der diesjährigen Flutkatastrophe in Pakistan und davon, dass sie hätte vermieden werden können.

Schwerste Flutkatastrophe seit der Wetteraufzeichnung

Von Juni bis Oktober bedrohten starke Regenfälle die Regionen Balochistan und Sindh in Pakistan. Balochistan gilt als eine der größten Provinzen in Pakistan und dient als wichtige Transportstrecke für Ressourcen zwischen Karachi. Millionen Menschen sind in Gefahr und ohne Grundversorgung.

Die knapp 7.250 Gletscher, die Pakistan umgeben, schmelzen aufgrund steigender Temperaturen und tragen zu den starken Überflutungen bei. Starker Monsun ist in Pakistan nichts neues. Jedoch sorgt die Klimakrise dafür, dass die Regenfälle um 190% angestiegen sind. Die Infrastruktur Pakistans ist darauf nicht vorbereitet, Häuser, Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Straßen sind zerstört und Dämme überflutet.

Starker Monsun ist in Pakistan nichts neues. Jedoch sorgt die Klimakrise dafür, dass die Regenfälle um 190% angestiegen sind.

Die Überflutungen folgten auf den Extrem-Monsunregen und gelten als schwerste Flutkatastrophe seit der Wetteraufzeichnung. 1/3 von Pakistan stand unter Wasser. 33 Millionen Menschen sind aktuell betroffen, sind heimatvertrieben. Stark gläubige Menschen in Pakistan suchen die Schuld bei sich – ob Gott Sie für ihre Sünden in Form der Überflutungen bestraft?

Dass die Menschen die Schuld bei sich suchen, ist unfassbar, denn wer eigentlich die Verantwortung für die Überflutungen und die damit verlorenen Leben trägt, sind Länder wie die USA, China, Deutschland und Russland. Was alle drei gemeinsam haben: Sie gelten als Länder mit den meisten CO2 Emissionen. Aber tragen sie die Folgen dafür? Nein. Es sind primär Länder im globalen Süden wie Pakistan, die unter den Handlungen und Entscheidungen dieser Länder leiden. Menschen, die ohnehin am Existenzminimum gelebt haben, sind ohne Obdach, ohne ihre Familie, ohne Grundversorgung und ohne Sicherheit in ihrem Land.

Pakistan ist für weniger als 1% der globalen CO2 Emissionen verantwortlich

Im Rahmen dieser Klimakatastrophe wird deutlich, dass diejenigen, die es am meisten trifft, vergessen werden und das sind junge Mädchen und Frauen*. Frauen* werden als bereits vulnerable Gruppe noch vulnerabler durch Klimakatastrophen wie diese, denn durch bereits bestehende patriarchale Strukturen kann davon ausgegangen werden, dass sich junge Mädchen und Frauen* am langsamsten von der Situation erholen werden, und zwar in zahlreichen Aspekten wie Bildung, mentale und physische Gesundheit.

Pakistan ist für weniger als 1% der globalen CO2 Emissionen verantwortlich. Es trägt nun trotzdem die Folgen für diejenigen, die unverantwortlich in ihrem Land handeln. Dieses unverantwortliche Handeln bringt Länder wie Pakistan in Gefahr. Die Flutkatastrophe machte 1/6 der pakistanischen Bevölkerung obdachlos. Und das ist nur eine Momentaufnahme. Es wird Jahre dauern, bis die Verhältnisse wieder zur Normalität zurückkehren und währenddessen dürfen weitere Klimakatastrophen in Pakistan nicht ausgeschlossen werden.

Leben und Gesundheit der Menschen sind bedroht

Die Situation ist mehr als eine Klimakatastrophe. Es ist eine Humanitäre Katastrophe, die einen langfristigen Einfluss auf Gesamtpakistan haben wird. Die mentale sowie physische Gesundheit der Menschen wird langfristig beeinträchtigt sein. Denn zum einen stellt eine solche Situation ein massives Trauma für alle Betroffenen dar und zum anderen greifen die Menschen wegen dem fehlenden Zugang auf sicheres Trinkwasser auf das Fluten-Wasser zurück. Hierdurch verbreiten sich wasserübertragbare Krankheiten, Malaria, Cholera, Durchfallerkrankungen und auch Haut- und Atemwegserkrankungen kommen häufiger vor. Dies stellt ein immenses Risiko für Folgeerkrankungen dar und auch die fehlende Gesundheitsversorgung aller, aber insbesondere vulnerabler Gruppen vor Ort, trägt zu erhöhtem Krankheitsrisiko und Mortalität bei.

Den Menschen ist es nicht möglich ihre Bildung fortzusetzen, viele sind vertrieben aus ihrem Wohngebiet und gelten als Geflüchtete. Pakistans Bildungssituation war vor der Flut schon prekär. Vielen Kindern ist es nicht möglich eine Schule zu besuchen. Durch die COVID 19 Pandemie hat sich die Schulbildung weiterhin verzögert. Im Sommer wurden knapp 20.000 Schulen durch die Fluten zerstört. Den Kindern – und insbesondere jungen Mädchen – die Bildung zu gewährleisten, die sie in der Zeit der Pandemie und der aktuellen Fluten versäumt haben, wird immens Zeit einnehmen, falls überhaupt möglich.

Armut ist sexistisch

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der der medizinischen Versorgung der jungen Mädchen* und Frauen*. Freiwillige des „Women Development Centre“ in Pakistan haben es sich zur Aufgabe gemacht, junge Mädchen* und Frauen* mit Menstruationsprodukten, Seife und Hygieneartikeln zu versorgen. Das Women Development Centre verteilt Pakete mit entsprechenden Gesundheitsartikeln und druckt auf die Verpackungen Anleitungen – Nicht in Textform, sondern in Form von Grafiken, um den Umgang mit Binden und Tampons so einfach wie möglich zu erklären und es den Betroffenen in Regionen mit hohen Analphabethismusraten zu ermöglichen, die Produkte korrekt zu nutzen.

Das Thema Menstruation gilt in Pakistan noch immer als Tabu-Thema, darf aber insbesondere in Zeiten der Fluten nicht vergessen werden. Denn junge Mädchen* und Frauen* improvisieren an Orten der Überflutung und nutzen Blätter von Bäumen als Binden-Ersatz. Dies stellt ein zusätzliches Risiko für Krankheiten und Infektionen dar. Durch die Tabuisierung von Menstruation wird die Gesundheit von Frauen* während einer solchen Klimakatastrophe vergessen. Das ist gefährlich, denn schließlich sind beinahe die Hälfte der Betroffenen der Überflutungen junge Mädchen und Frauen*.

Es waren beinahe 130.000 Schwangere, die sich durch die Fluten kämpften und ohne Obdach und medizinische Versorgung ihr Kind auf die Welt bringen mussten.

Schwangere sind genauso Betroffene der Überflutungen. Tausende von Kindern sollten in den Katastrophen-Monaten zur Welt kommen. Wie sollen Schwangere ihre Kinder sicher auf die Welt bringen und ihnen medizinische Versorgung oder Sicherheit gewährleisten? Es waren beinahe 130.000 Schwangere, die sich durch die Fluten kämpften und ohne Obdach und medizinische Versorgung ihr Kind auf die Welt bringen mussten. Durch das große Infektionsrisiko und die Gesamtsituation, die für die Menschen ein massives Trauma darstellt, kann die maternale Mortalität steigen und dazu führen, dass zahlreiche Schwangere ihr Leben verlieren.

Es geht um mehr, als in Deutschland gelebt wird und der Fokus gelegt wird.

Wir müssen uns vor Augen führen, welche Ausmaße die Klimakrise annimmt. Es geht um mehr, als in Deutschland gelebt wird und der Fokus gelegt wird. Es geht um mehr, als auf Fahrräder umzusteigen und den öffentlichen Nahverkehr im eigenen Land zu fördern. Es geht um mehr als das Siegel „Bio“ auf Lebensmitteln. Diese Maßnahmen sind wichtig, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir Maßnahmen fördern müssen, die auch für Länder nachhaltig sind, die in der Klimakrise andere Prioritäten setzen müssen – Wie beispielsweise die Sicherung der Bevölkerung und der Grundversorgung, die Sicherungder Grundrechte des Zugangs zu sicherem Trinkwasser und Bildung.

Es geht um mehr als das Siegel „Bio“ auf Lebensmitteln.

Die Folgen des Kolonialismus ziehen sich bis heute und machen sich auch im Rahmen der Klimakrise bemerkbar. Das macht sich zum einen in Pakistans Kultur deutlich sowie in den Schönheitsstandards, aber auch in der Tatsache, dass die ärmsten Menschen in den Ländern für die Taten der reicheren Ländern büßen und mit den Folgen umgehen müssen. Armut ist sexistisch und betrifft Frauen* am stärksten. Durch die zusätzliche Belastung der Klimakrise wird es Frauen* noch schwieriger gemacht, ihre Rechte zu leben.

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