UN Generalversammlung 2024 – Ein feministischer Überblick
Jedes Jahr verwandelt die Woche der Generalversammlung der Vereinten Nationen New York in ein hektisches Chaos, wenn die Staatsoberhäupter von rund 190 Nationen zu einem Treffen zusammenkommen. Dieses Jahr war etwas Besonderes, da die Erwartungen an den zweitägigen „Gipfel der Zukunft“, eine Priorität von Generalsekretär Antonio Guterres, hoch waren. Gleichzeitig schwächten Konflikte und Kriege eine multilateralistische Zusammenarbeit.
Zusätzlich zu den kugelsicheren Limousinen, die die 1st und 2nd Avenue blockierten, den Hubschraubern, die am Himmel kreisten, und den Scharfschütz*innen auf den Dächern der UNO war die Stadt voll mit Teilnehmenden, die in Manhattan zur „Climate Week NYC“ unterwegs waren. Diese bot Hunderte von Parallelveranstaltungen, die von der Zivilgesellschaft, Think-Tanks, Universitäten, Regierungen und philanthropischen Geldgeber*innen organisiert wurden.
Aktionstage für die Zukunft – Peking+30

In den Tagen vor dem Gipfel wurden Aktionstage organisiert und unsere internationale Direktorin Sascha Gabizon sprach im Namen der Women’s Major Group auf dem hochrangigen Panel „Beijing+30: towards a gender equality world“. Dieses wurde von China, Dänemark, Frankreich, Kenia und Mexiko, der Women’s Major Group und UN Women organisiert.
Ziel der Veranstaltung war es, eine strategische Vision zu entwerfen und die Unterstützung und das Engagement aller Mitgliedstaaten für die Umsetzung ihrer Verpflichtungen im Bereich der Frauenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter, wie etwa der Aktionsplattform von Peking und der Ziele für nachhaltige Entwicklung, zu mobilisieren. Daher erinnerte Sascha Gabizon im Anschluss an die Präsentationen der stellvertretenden UN-Generalsekretärin, Amina Mohammed, und der Exekutivdirektorin von UNWomen, Sima Bahous, die Delegierten an den Geist von Peking.
“Seit dem 4. Weltfrauenkongress 1995 in Peking, an dem ich als junge Aktivistin unter den 30.000 Frauen der Zivilgesellschaft in Huairou war, hat sich viel verändert. Es war die inspirierendste Veranstaltung über feministische Strategien, die ich je gesehen habe.” Sascha Gabizon, WECF. Hier geht es zu Saschas vollständigem Statement >>
Sascha Gabizon forderte die Mitgliedstaaten auf, dringend Maßnahmen gegen das Erstarken von menschenrechtsfeindlichen Gruppierungen zu ergreifen, die die Fortschritte einer emanzipatorischen Bewegung der letzten Jahrzehnte gefährden – beispielsweis den Gewinn an körperlicher Autonomie und LGBTQI+-Rechten. Der Saal war voll mit lauten und kämpferischen Feminist*innen.
In derselben Woche setzten wir unsere Mobilisierung für Peking+30 auf der Global People’s Assembly fort, wo Rebecca Heuvelmans im Namen von WECF die vielen anwesenden Organisationen der Zivilgesellschaft aufforderte, sich in diesen entscheidenden Prozess einzubringen.
Ein Vertrag für die Zukunft
Viele Monate lang haben die UN-Mitgliedstaaten über neue Verpflichtungen zur Stärkung des multilateralen Systems verhandelt, um die wichtigsten globalen Krisen unserer Zeit zu bewältigen. Das Ergebnis ist der Zukunftspakt, der schließlich im Plenum der Vereinten Nationen per Akklamation angenommen wurde.
Dem ging allerdings eine Stunde voller Spannung und Nervosität voran, da Russland in allerletzter Minute ein Addendum vorgeschlagen hatte, das den gesamten Sinn des Pakts völlig zunichte gemacht hätte. Die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union retteten schließlich die Situation und beantragten eine Abstimmung zu dem russischen Addendum. Nachdem die überwältigende Mehrheit der Länder gegen den russischen Zusatz gestimmt oder sich der Stimme enthalten hatten (sogar langjährige russische Verbündete wie Kuba enthielten sich der Stimme), wurde der Pakt für die Zukunft angenommen. Der Pakt enthält außerdem den „Digital Compact“ und die „Erklärung über künftige Generationen“, die parallel ausgehandelt worden waren.

Geschlechtergerechtigkeit im Pakt
Der Pakt für die Zukunft besteht aus fünf Hauptkapiteln, und zwar
1) Nachhaltige Entwicklung und deren Finanzierung
2) Internationaler Frieden und Sicherheit
3) Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie digitale Zusammenarbeit
4) Jugend und künftige Generationen
5) Globale Regierungsführung umgestalten
In allen fünf Kapiteln wird mehr oder weniger stark auf die Rolle und die Rechte von Frauen und Mädchen sowie auf die Notwendigkeit größerer Ambitionen zur Erreichung der Gleichstellung der Geschlechter und zur Beendigung von Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt hingewiesen. Während der langen Verhandlungsmonate war es ein ständiges Bemühen, die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte von Frauen und Mädchen nicht aus den Augen zu verlieren. In der endgültigen Fassung des PACT gibt es jedoch keinen Fortschritt, keine stärkere Formulierung als in der 2030-Agenda (die vor neun Jahren vereinbart wurde), obwohl Fortschritte bei der schnelleren Gleichstellung der Geschlechter notwendig sind. Beispielsweise gibt es jetzt ein neues Verständnis und neue Formulierungen in Bezug auf strukturelle und historische Barrieren und intersektionelle Ansätze, die für die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung erforderlich sind.
Wiederbelebung der Kommission für die Gleichstellung der Frau (CSW)
Im letzten Kapitel über die Umgestaltung der Global Governance (Aktion 43-d) wird dazu aufgerufen, einen inklusiven Prozess zur „Wiederbelebung“ der Kommission für die Rechtsstellung der Frau (CSW) einzuleiten, an dem wir als feministische Organisationen sicherlich beteiligt werden müssen. Es gibt bereits viele Ideen, wie zivilgesellschaftliche feministische Organisationen durch selbstorganisierte regionale Gruppierungen Zugang zu den Verhandlungen erhalten können und wie die jährlichen CSW-Sitzungen in verschiedenen UN-Regionen stattfinden können (um die Visaprobleme am UN-Hauptsitz zu vermeiden), um nur einige zu nennen.
Finanzierung nachhaltiger Entwicklung – Beendigung der Schuldenkrise
Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) wurden 2015 von allen UN-Mitgliedstaaten vereinbart. Darüber hinaus enthält das Addis Abeba Action Agreement (AAAA) die Verpflichtung, die für die Umsetzung der SDGs und für den Übergang zu einem inklusiven, friedlichen und ökologisch nachhaltigen Planeten erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen. Die SDGs, die bis 2030 erreicht werden sollen, sind jedoch keineswegs auf dem richtigen Weg, einschließlich des SDG 5 zur Gleichstellung der Geschlechter.

In den letzten Jahren haben sich jedoch sehr besorgniserregende Trends abgezeichnet: zunehmende Ungleichheiten innerhalb der Länder und zwischen ihnen, eine wachsende Schuldenlast vor allem für die Länder des globalen Südens, die es ihnen nicht erlaubt, in soziale und nachhaltige Maßnahmen zu investieren, sowie ein anhaltender Mangel an internationaler Steuerkoordinierung, der zu massiver Steuerhinterziehung führt und dazu, dass mehr Mittel vom Süden in den Norden fließen als umgekehrt.
Der erste Entwurf des Pakts für die Zukunft enthielt starke Verpflichtungen für eine globale Zusammenarbeit bei der Steuer- und Finanzreform. Aber leider ist die zuletzt angenommene Fassung sehr abgeschwächt. Dennoch enthält der Pakt einen Verweis auf die Milliardär*innenssteuer (jetzt formuliert als „Sondierung von Optionen für die internationale Zusammenarbeit bei der Besteuerung von vermögenden Privatpersonen“) und die Arbeit an einem „Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich“.
Auf dem nächstjährigen Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung, der im Juni 2025 in Sevilla, Spanien, stattfinden wird, müssen wir als Feminist*innen die Mitgliedstaaten dazu drängen, mutige Maßnahmen zu ergreifen, um die strukturellen Hindernisse zu beseitigen, die es den Ländern des globalen Südens aufgrund der ungerechten globalen Finanzstrukturen (Ranking-Agenturen, Sparmaßnahmen des IWF usw.) unmöglich machen, in eine nachhaltige Pflegewirtschaft zu investieren.
Veranstaltung zu Feministischer Außenpolitik – gemischte Botschaften
Die Gruppe der FFP (Feminist Foreign Policy)-Länder, darunter Mexiko, organisierte am Mittwoch, den 25. September, eine hochrangige Veranstaltung zum Thema Feministische Außenpolitik, an der Minister*innen aus der Mongolei, Slowenien, Albanien, Spanien, Chile, Ruanda, Frankreich, Kanada, Brasilien, den Niederlanden, Kolumbien und Australien sowie Lyric Thompson von FFPC und Hamida Aman, afghanische Unternehmerin und Journalistin, Gründerin eines freien Radios für Frauen und Mädchen in Afghanistan teilnahmen.

Zusammen mit langjährigen Verbündeten wie unserer Partnerin Trupti Jain von Naireeta Services in Indien, der Women’s Major Group und dem Feminist Foreign Policy Collective nahmen wir an der hochrangigen FFP-Veranstaltung teil. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die zunehmende Unterstützung für eine feministische Außenpolitik, wobei sich eine wachsende Zahl von Ländern des globalen Südens den Bemühungen um die Stärkung der Rolle und der Rechte von Frauen in den Bemühungen um Frieden und Sicherheit und nachhaltige Entwicklung anschloss. Auf der Veranstaltung wurde unter anderem nachdrücklich dazu aufgerufen, sich gegen die Geschlechterapartheid in Afghanistan einzusetzen, was sogar von der neu eingesetzten rechtskonservativen Regierung der Niederlande unterstützt wurde.
Brasilien und Kolumbien teilten aufregende und ermutigende Visionen für feministische Außenpolitik, indem sie neben der Gleichstellung der Geschlechter auch die Gleichstellung für rassifizierten Menschen forderten, insbesondere für indigene Völker und Afro-Gemeinschaften. Außerdem fördern diese Länder die Modelle der Care-Ökonomie, wie die „bolsa-familia“-Sozialschutzmaßnahmen, die sich auf von Frauen geführte Haushalte in Brasilien konzentrieren, und die „Manzanas del Cuidado“ in Kolumbien.
Frankreich verkündete stolz seinen Erfolg, das Recht auf einen sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch in seine Verfassung aufzunehmen (was viel Beifall fand) und bestätigte außerdem, dass seine neue Regierung (die konservativer ist als die vorherige) sich verpflichtet hat, den Feministischen Fonds fortzuführen. Diese Botschaft hätten wir uns auch von den Niederlanden gewünscht, denn obwohl wir ihr fortgesetztes Engagement für den Feministischen Fonds und die Botschaft, dass sie weiterhin mit der Zivilgesellschaft und Frauenrechtsorganisationen zusammenarbeiten werden, begrüßen, steht dies in krassem Gegensatz zu der Entscheidung der neuen Regierung, die Zivilgesellschaft zu finanzieren.