Für einen besseren Schutz vor POPs: organische, langlebige und gefährliche Chemikalien – WECF bei den Verhandlungen der Basel, Rotterdam und Stockholm Konvention (BRS COPs)

Strengere, gesundheitsschonendere Regeln für niedrige POP-Gehalte auch in Abfällen – das schützt besonders auch Frauen

Genf, 1. Mai 2023 – Heute starten in Genf die Verhandlungen der Basel, Rotterdam und Stockholm Konvention (BRS COPs). Bis zum 12. Mai sind wir von WECF gemeinsam mit unseren Kolleg*innen von IPEN, Ciel und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen vertreten, um die Delegierten aufzufordern, möglichst schnell Maßnahmen zu ergreifen, um die toxisch chemische Bedrohung für unsere Gesundheit und die Umwelt zu bekämpfen. Wir setzen uns dabei besonders für das Mainstreaming von Gender ein – denn nach wie vor sind verschiedene Geschlechter unterschiedlich von giftigen Chemikalien betroffen, und nach wie vor sind die Expertise und die Perspektive unterschiedlicher Geschlechter essentiell, um nachhaltige Lösungen für einen besseren Schutz vor Schadstoffen, vor allen solchen, die sehr langlebig sind, zu implementieren.

 

Drei Chemikalien möglichst schnell verbieten

Wir unterstützen insbesondere die Empfehlung des wissenschaftlichen Expert*innenenausschusses des Stockholmer Übereinkommens, drei Chemikalien – das Pestizid Methoxychlor, den Kunststoffzusatzstoff UV-328 und das Flammschutzmittel Dechloran Plus (das auch häufig in Kunststoffen verwendet wird) – in die Liste der gefährlichen, persistenten organischen Schadstoffe (POPs) des Übereinkommens aufzunehmen. Alle drei Stoffe erfüllen die Kriterien für eine weltweite Beseitigung und ein weltweites Verbot.

Gemeinsam mit den NGO-Vertreter*innen unterstützen wir die Aufnahme der drei Chemikalien in die Liste der Konvention, und zwar ohne Ausnahmeregelungen. Die Industrie hat nämlich bereits weitreichende Ausnahmeregelungen für die weitere Anwendung von Dechloran Plus und UV-328 angemeldet und fordert Fristen, die weit über die Bestimmungen des Übereinkommens hinausgehen.

“Wir wissen, dass diese Chemikalien eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesundheit und die Umwelt darstellen, insbesondere für Arbeitnehmer*innen, besonders für Frauen und auch für indigene Völker, die keinen Nutzen aus ihrer Produktion und Verwendung ziehen. Es gibt bessere Alternativen und somit keinen Grund für Ausnahmen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass die Kosten für umwelt- und gesundheitsverträgliche Stoffe, die die schädlichen Stoffe ersetzen, von der Industrie getragen werden, die von ihnen profitiert.“ Johanna Hausmann, WECF

In Artikel 4 des Übereinkommens heißt es beispielsweise, dass Ausnahmeregelungen zunächst nur für fünf Jahre genehmigt werden sollten und dann zu prüfen ist, ob ihre Fortführung notwendig sei. Nach dem aktuellen Vorschlag würden einige Ausnahmeregelungen jedoch bis 2044 gelten, so dass die Produktion und Verwendung dieser gefährlichen Chemikalien zwei Jahrzehnte lang fortgesetzt werden könnten.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Kosten für den Ersatz giftiger Stoffe durch umwelt- und gesundheitsverträglichen Stoffen von der Industrie getragen werden.

Anhaltende Vergiftungen durch Schadstoffe

Eine neue Studie von IPEN zeigt Daten zu den gesundheitlichen Auswirkungen giftiger Chemikalien, darunter auch Erkenntnisse aus einem Test von Blutwerte von Dechloran Plus bei E-Schrott-Arbeiter*innen in Thailand. Die Studie zeigt, dass die fortgesetzte Produktion und Verwendung von Dechloran Plus in Elektronikgeräten und Fahrzeugen zu einer anhaltenden Vergiftung der Arbeiter*innen, die mit diesen Abfällen umgehen, und ihrer Gemeinden führen wird.

Ausnahmen streng begrenzen

  • Wenn Ausnahmeregelungen in Betracht gezogen werden, drängen wir außerdem darauf, dass
  • Ausnahmeregelungen nur für enge, klar definierte Anwendungen gelten
  • die Industrie verpflichtet wird, Daten mit einer vollständigen Begründung, dem Nachweis, dass die Chemikalie nicht ersetzt werden kann und einen Zeitrahmen für die Entfernung der Chemikalie vom Markt vorzulegen
  • Ausnahmeregelungen, wie in Artikel 4 angegeben, auf fünf Jahre begrenzt sein sollten
  • die COP ein Bewertungsverfahren für jeden Antrag auf Verlängerung einer Ausnahme über fünf Jahre hinaus vorsehen sollte.

Unser Side-Event zu Gender mit Filmvorstellung

Am 11. Mai werden wir im Rahmen unseres Side Events Tackling Toxics: Gender dimensions of chemicals and waste policies bewährte Praktiken und Erfahrungen vorstellen, die den Geschlechter- und Gleichstellungsaspekt in der Chemikalien- und Abfallpolitik einbeziehen. Wir zeigen Beispiele von Führungsrollen von Frauen* beim Übergang zu einer sicheren Kreislaufwirtschaft, in der Abfälle vermieden und/oder sicher wiederverwendet und recycelt werden. Dabei richten wir besonders den Blick auf Kunststoffabfälle, Elektronikabfälle und Chemikalien, die Bestandteil des BRS-Übereinkommens sind. Dazu wird unsere Fallstudie Tackling Toxics mit Beispielen aus Ostafrika (Kenia) und Nordafrika (Tunesien) vorgestellt.

Worum geht es bei den Verhandlungen der einzelnen Konventionen?

Plastikankommen und die Chemikalien Konventionen

Die Stockholm Konvention weist wichtige Übereinstimmungen mit dem laufenden Prozess für ein globales Plastikabkommen auf”, sagte Griffins Ochieng, Exekutivdirektor des Zentrums für Umwelt, Gerechtigkeit und Entwicklung (CEJAD) in Kenia, Partnerorganisation unserer Studien in Kenia. “Kunststoffe vergiften die Menschen und verschmutzen den Planeten. Wir müssen die Kunststoffproduktion reduzieren und alternative, giftfreie Materialien für eine echte Kreislaufwirtschaft fördern.”

Die Verhandlungen zur Basel Konventionen beinhalten auch Vorschläge zu den Leitlinien des Übereinkommens für Kunststoffabfälle. Gemeinsam mit unseren NGO Kolleg*innen fordern wir, chemisches Recycling als Entsorgungsmethode für Kunststoffabfälle aus den Richtlinien zu streichen, da diese Technologie die Kriterien für eine umweltverträgliche Entsorgung nicht erfüllt. Für uns ist sie eine der vielen falschen Lösungen. Verbrennungstechnologien für die Kunststoffentsorgung, wie Zementöfen und Müllverbrennung führen zu Emissionen und Freisetzungen von POPs und müssen daher unterlassen werden.

Am Anfang beginnen: Weniger Kunststoff produzieren

Chemisches Recycling ist eine Technologie, die nicht umweltverträglich und wirtschaftlich ist und darüber hinaus große Mengen gefährlicher Abfälle erzeugt. “Sogar der eigene Branchenverband räumt ein, dass der Anteil gefährlicher Abfälle aus dem Chemikalienrecycling bis zu 30 % beträgt“, sagt Lee Bell, Berater für Quecksilber und POPs bei IPEN. Anstelle den Märchen der Industrie zu vertrauen, müssen wir uns auf die Entgiftung von Kunststoffen und die Reduzierung der Kunststoffproduktion selbst konzentrieren. Denn chemisches- und Plastikrecycling ist ein Mythos.

Die Basel Konvention enthält in den allgemeinen technischen Leitlinien für POP-Abfälle auch die so genannten “Niedrig POP-Gehalte” (Low POP Content Level, LPCL) für jeden in der Stockholm Konvention gelisteten POP. Jeder Abfall, der einen POP enthält, der den LPCL überschreitet, wird als “POP-Abfall” definiert und muss zerstört oder irreversibel umgewandelt werden, so dass er keine POP-Eigenschaften mehr aufweist. Wenn jedoch hohe LPCLs festgelegt werden, ist der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt geringer. Wir unterstützen daher strenge, schützende LPCL-Werte, die die Konferenz verabschieden soll.

Die Verhandlungen über die Rotterdamer Konventionen enthalten wichtige verfahrenstechnische Fragen. Alle Entscheidungen in den Konventionen müssen im Konsens getroffen werden: Das heißt, stellt sich eine Vertragspartei gegen einen Vorschlag der Regulierung, ist der Prozess blockiert.

In der Vergangenheit haben Hinhaltetaktiken einer oder einiger weniger Vertragsparteien zu Blockaden bei der Aufnahme neuer Chemikalien geführt. Wir unterstützen den Vorschlag, Abstimmungen zuzulassen, wenn die Bemühungen um einen Konsens erschöpft sind, um solche Blockaden zu vermeiden.

Wir als Mitglied von IPEN unterstützen die Aufnahme von sieben Chemikalien in die Liste des Anhangs III des Übereinkommens, für die eine vorherige Zustimmung zur Einfuhr nach Inkenntnissetzung erforderlich (Prior Informed Consent)) ist: Acetochlor, Carbosulfan, Chrysotilasbest, Fenthion, Paraquat, Iprodion und Terbufos.

 

Infos

  • Basis dieser Information ist die Pressemitteilung unserer Kolleg*innen von IPEN. WECF, ist Mitglied von IPEN.
  • Mehr zu POPs finden Sie auch in unserem Informationspapier Vorsicht! PFAS
  • IPEN-Ressourcen, Aktivitäten und Aktualisierungen während der BRS COPs werden auf der IPEN-Website veröffentlicht.
  • Zentral sind im Zusammenhang mit den BRS CoP Verhandlungen die IPEN Quick Views
  • Mehr zu den Verhandlungen auf der offiziellen Webseite der BRS-Konventionen

 

Foto im Header: IISD/ENB – Kiara Worth