Scheinlösungen zur Plastikkrise – Neues Fact Sheet zum World Cleanup Day 2022

Heute setzen wir ein Zeichen gegen Plastikmüll. Am heutigen World Cleanup Day dreht sich bei uns alles um die Scheinlösungen, die zur Bewältigung der Plastikkrise in Politik und Wirtschaft diskutiert werden: So genanntes “Bioplastik”, Einweg-Papierverpackungen und Recycling. In dem Fact Sheet des Bündnisses Wege aus der Plastikkrise zeigen wir die verheerenden Nebenwirkungen dieser Maßnahmen auf.

Scheinlösungen verschleppen den notwendigen systemischen Wandel

Die Plastikproduktion und -verarbeitung verbraucht große Mengen an fossilen Ressourcen, insbesondere Erdöl und Erdgas. Gleichzeitig kommt eine Vielzahl von schädlichen Chemikalien zum Einsatz, die dem Material sowie den Plastikverpackungen und -produkten ihre Eigenschaften verleihen. Die Produktion, das Recycling und die Entsorgung von Plastik gehen mit der Emission von Treibhausgasen und hochgiftigen Substanzen einher. Auch während der Nutzungsphase sind Konsument*innen bedenklichen Zusatzstoffen in Plastik ausgesetzt – insbesondere Kinder und Schwangere sind besonders vulnerabel.

Zur Lösung der Plastikkrise gibt es eine Vielzahl von Ansätzen. Darunter auch solche, die immer wieder von Seiten der Plastikindustrie, der fossilen Konzerne und von Teilen der Lebensmittelbranche angepriesen werden. Häufig beinhalten diese technische Innovationen und die Nutzung alternativer Materialien für Einwegverpackungen, wie „Bio“-Plastik und Papier. Denn rund die Hälfte des europäischen Plastik-Verbrauchs entfallen auf solche kurzlebigen Verpackungen. Diese Ansätze bewirken jedoch nicht die systemischen Änderungen die nötig sind, um die Produktion und den Verbrauch von Plastik tatsächlich um ein Vielfaches zu reduzieren und dabei auch zu verhindern, dass das Problem schlicht verlagert wird. Statt den Wandel zu ressourcenschonenden und schadstofffreien unverpackt-Lösungen und Mehrweg-Systemen voranzutreiben, wird mit Scheinlösungen vom Kern des Problems, den wahren Verantwortlichen und der Notwendigkeit echter und ganzheitlicher Lösungen abgelenkt. Der notwendige systemische Wandel wird so verhindert.

Der Ersatz von Einwegplastik durch sogenanntes „Bio“-Plastik oder Papier, die Verwendung von aus dem Meer entfernten Plastik („Ozeanplastik“) sowie die chemische Verwertung von Plastik zählen zu solchen Scheinlösungen. Insbesondere die chemische Verwertung von Plastik-Einwegverpackungen dient dazu, das aktuelle Geschäftsmodell von Einwegplastik-Produzenten zu erhalten. Fossile Konzerne wie bp treiben den Bau solcher Infrastrukturen voran. Allen folgenden Scheinlösungen ist gemein, dass sie den aktuellen Status-Quo des ressourcenverschwendenden, linearen Wirtschaftens zementieren.

Einweg-Papier ist Ressourcenverschwendung

Die stoffliche Basis für Papier, Pappe und Karton für das Verpacken von Lebensmitteln ist in der Regel Zellstoff. Für dessen Gewinnung werden Bäume gefällt, transportiert und verarbeitet. Dies führt, abhängig von der Art der Waldbewirtschaftung, zu erheblichen Beeinträchtigungen von Ökosystemen. Die größte in Deutschland verwendete Menge an Zellstoff wird aus Brasilien importiert. Es ist daher davon auszugehen, dass für die Zellstoffproduktion Regenwald abgeholzt, Indigene enteignet und Monokulturen auf den Flächen angelegt werden. Die hohe Nachfrage aus Deutschland befeuert dieses Vorgehen in Brasilien, aber auch die Abholzung von Wäldern in Kanada, Schweden und anderen Ländern. Weiterlesen >>

„Bio“-Plastik weckt falsche Hoffnungen

Es klingt vielversprechend: So genanntes „Bio“-Plastik, das aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird und einfach verrottet, anstatt die Natur zu verschmutzen. Leider sind solche biologisch abbaubaren oder biobasierten Kunststoffe nicht nachhaltig. Vielmehr wird das Label „Bio“ hier insbesondere bei Verpackungen als Marketingstrategie missbraucht und weckt falsche Erwartungen der ökologischen Verträglichkeit bei Verbraucher*innen. Die Hälfte der gesamten “Bio”-Plastik-Produktion wird für Einweg-Verpackungen verbraucht. Indem statt auf „Bio“-Plastik auf unverpackt-Lösungen und Mehrweg gesetzt wird, kann hier viel Verpackungsmaterial und -abfall eingespart werden. Weiterlesen >>

Wieso der Begriff chemisches „Recycling” irreführend ist

Chemisches „Recycling“ wird von der Chemie- und Kunststoffindustrie als wichtige Technologie zur Lösung der Plastikkrise propagiert und mehr und mehr in den Fokus des politischen und öffentlichen Interesses gerückt. Dabei werden unter diesen Sammelbegriff gemeinhin verschiedene technische Verfahren gefasst, die Kunststoffabfälle unter dem Einsatz von Druck, Hitze und/oder Chemikalien behandeln und dabei sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Zum einen werden mit dem Begriff lösemittelbasierte Verfahren adressiert, bei denen Zusatzstoffe und Verunreinigungen aus den Plastikabfällen entfernt werden oder diese in ihre Grundbausteine (Monomere) zerlegt werden, die dann zu neuem Plastik verarbeitet werden können. Zum anderen werden häufig auch Pyrolyse- und Vergasungsverfahren darunter gefasst, bei denen Plastik in die Monomere gespalten werden und daraus wiederum Grundchemikalien und vor allem Treibstoffe produziert werden.

Wenngleich auch diese Produkte theoretisch weiter zu Plastikprodukten verarbeitet werden könnten, sind mögliche Produkte wahrscheinlich nicht sortenrein genug und werden zumeist verbrannt, wodurch der enthaltene Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt und somit jeglicher Kreislaufführung entzogen wird. Von einem „Recycling“ kann bei diesen Plastics-to-Fuel-Verfahren also keinesfalls gesprochen werden – chemische Verwertung ist hier treffender. So schließt auch die EU-Abfallrahmenrichtlinie das chemische Recycling zwar in ihre allgemeine Definition des Recyclings ein, beschränkt die Definition jedoch auf Verfahren, bei denen Abfallmaterial in neue Produkte und nicht in Materialien für die Verwendung als Brennstoff umgewandelt wird. Weiterlesen >>

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