PFAS Aktionswochen – Offener Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz

PFAS-Chemikalien auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse regulieren

Berlin, den 23.01.2025

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
mit großer Dringlichkeit und Besorgnis wenden wir uns heute als Gruppe von neun zivilgesellschaftlichen Organisationen aus den Bereichen Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz an Sie. Die jüngsten Ergebnisse des Forever Lobbying Project enthüllen die umfassende Lobbyarbeit von verschiedenen Interessengruppen der Industrie auf EU, aber auch auf nationaler Ebene zur Weiterverwendung der umwelt- und gesundheitsschädigenden PFAS-Chemikalien. Zeitgleich wurden auch schockierend hohe volkswirtschaftlichen Kosten offengelegt, die für die Beseitigung bestehender und zukünftiger Verschmutzung durch PFAS entstehen werden, sollten Unternehmen im Hinblick auf die Produktion und Anwendung von PFAS so weiter machen wie bisher.

Wir fordern Sie daher auf, in Ihrer politischen Arbeit zu PFAS-Chemikalien ausschließlich unabhängigen und wissenschaftsbasierten Empfehlungen zu folgen und nicht den Aussagen von Unternehmen, die ein Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung des derzeitigen rechtlichen Status quo haben. Die weit verbreitete Verwendung von PFAS-Chemikalien hat bereits zu einer der schwersten Verschmutzungskrisen geführt, mit denen die Menschheit je konfrontiert war.
Und das, obwohl es für eine große Anzahl von PFAS-Anwendungen bereits Alternativen gibt oder welche entwickelt werden: z.B. verwenden bereits viele Hersteller von Outdoor-Kleidung PFAS- freie Materialien und auch in elektronischen Anwendungen konnten bereits Alternativen eingesetzt werden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass PFAS verboten werden, wie in dem auch von Deutschland eingereichten Dossier zur umfassenden Beschränkung von PFAS dargelegt, das derzeit von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) geprüft wird.

Wir bitten um Ihre Zusicherung, dass Sie diesen Vorschlag zum Schutz von Mensch und Umwelt in Deutschland und der ganzen Welt auch weiterhin unterstützen und entsprechende Maßnahmen auf allen politischen Ebenen ergreifen.

Seit ihrer Einführung in den 1950er Jahren hat die weitgehend unregulierte Verwendung von PFAS in zahllosen Industrie- und Verbraucheranwendungen zu einer weit verbreiteten Kontamination in ganz Europa geführt, in Deutschland, insbesondere im Rheingebiet, im Ruhrgebiet, in Bayern und in der nördlichen Elbregion. Wissenschaftler*innen warnen seit langem mit besorgniserregenden Fakten zu den sogenannten „Ewigkeitschemikalien“. Im Dossier zur Beschränkung von PFAS werden eine Vielzahl von Studien zitiert, die PFAS mit Krebs, Immun- und Hormonstörungen, Unfruchtbarkeit und anderen schweren Krankheiten in Verbindung bringen. Diese Chemikalien befinden sich im Wasser, das wir trinken, den Lebensmitteln, die wir essen, und der Luft, die wir atmen. Alle Menschen in Europa sind bereits in alarmierenden Konzentrationen mit diesen toxischen Stoffen belastet, die ihre Gesundheit und ihre Zukunft gefährden. Insbesondere Teenager, kleine Kinder, Schwangere und damit auch ungeborene Babys sind gefährdet.

In der vergangenen Woche deckte das Forever Lobbying Project eine koordinierte Lobbying- und PR-Kampagne der PFAS-Industrie auf, die darauf zielt, den EU-Vorschlag zur Beschränkung der „Ewigkeitschemikalien“ zu schwächen und die Kosten der PFAS-Verschmutzung auf die Gesellschaft abzuwälzen. Die Industrielobby greift dabei auf Angstmacherei und irreführende Botschaften zurück; Strategien, die auch von der Tabakindustrie und der Industrie für fossile Brennstoffe eingesetzt werden. Jahrzehntelang hat die PFAS-Industrie wissentlich zugelassen, dass giftige Chemikalien in unsere Körper und unsere Umwelt gelangen und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken vor der Öffentlichkeit und den Behörden verborgen. Gleichzeitig hat sich die Industrie jeglicher Verantwortung für die Kosten der von ihr verursachten Schäden entzogen. Die Untersuchung des Forever Lobbying Project hat die schwindelerregenden Kosten dieser Untätigkeit aufgedeckt: 2 Billionen Euro über 20 Jahre oder 100 Milliarden Euro jährlich für die Beseitigung der PFAS-Altlasten in der EU sowie weitere gesellschaftliche Kosten wie beispielsweise Gesundheitskosten in Folge von PFAS-Exposition von jährlich 52-84 Milliarden Euro.

Deutschland hat die Möglichkeit, in der EU eine Vorreiterrolle zu übernehmen, indem es eine schadstofffreie, wettbewerbs- und zukunftsfähige Wirtschaft fördert und sich für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt einsetzt. Wir fordern Sie auf, dafür zu sorgen, dass politische Entscheidungsfindungsprozesse den Schutz der Menschen und der Umwelt in den Fokus stellen und sich auf unabhängige Wissenschaft und Fakten stützt – und nicht auf den Druck von Unternehmen, die ein Eigeninteresse an der Erhaltung des Status quo haben. Konkret fordern wir:

  1. Unterstützen Sie ein umfassendes PFAS-Verbot. Setzen Sie sich auch weiterhin für die
    auch von Deutschland vorgeschlagene universelle PFAS-Beschränkung auf EU-Ebene
    ein und verhindern Sie eine Verwässerung der angestrebten Regulierung.
  2. Ergreifen Sie dringende Maßnahmen auf nationaler Ebene. Erwägen Sie zum Schutz
    der Menschen ein schnelles nationales Verbot von PFAS in Konsumgütern, sowie von
    PFAS-Pestiziden und entwickeln Sie einen nationalen PFAS-Aktionsplan, der darlegt, wie
    die bestehende Verschmutzung beseitigt und Betroffene geschützt und unterstützt
    werden können.
  3. Verstärken Sie das Angebot an sicheren Alternativen. Beschleunigen Sie den
    schrittweisen Ausstieg aus allen PFAS-Verwendungen durch Anreize für Unternehmen,
    in Innovationen, sicherere Technologien und nachhaltige Alternativen zu investieren.
    Wir bitten Sie um die Möglichkeit eines persönlichen Austausches in dieser Angelegenheit und
    eines gemeinsamen Arbeitens an umsetzbaren Lösungen.

Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Bereitschaft gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Mit freundlichen Grüßen