Ökofeministischer Input zur Haushaltsdebatte
von Gabriele Köhler, WECF Vorstandsmitglied und UNRISD senior research associate
Zurzeit wird im Bundestag, in Medien und Talkshows über den Bundeshaushalt 2025 gestritten, der angeblich massiv gestutzt werden müsse. Vieles stößt uns am derzeitigen Diskurs vehement auf. Daher ein paar Anmerkungen. Diese sind umso drängender, als konservative und damit wirtschaftspolitisch neoliberale Kräfte in den EU-Parlamentswahlen gestärkt worden sind.
Die Haushaltsdebatte
Im Haushalt 2024 des Bundes sind rund 48 Prozent für Sozialausgaben veranschlagt, wenn wir die Ausgaben für Arbeit und Soziales, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Gesundheit und Bildung zusammenrechnen. Der zweitgrößte Einzelposten ist die Verteidigung, mit 11 Prozent oder 52 Mrd. (und das schon seit vielen Jahren, obwohl oft beteuert wird, die Bundeswehr sei kaputtgespart worden).
Die Steuerfrage ist im neoliberalen Finanzministerium tabu, das ist bekannt, aber auch von den Grünen und SPD-Regierungsparteien hören wir dazu zu wenig Nachdenken.
Das in letzter Zeit vielverschmähte Entwicklungsministerium bekommt gerade mal auf zwei Prozent des gesamten Haushalts, das sind 11 Mrd. Euro; Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz ein halbes Prozent des Budgets!
Unsere Fragen
Da drängen sich viele Fragen auf:
- Wird der Anteil der sozialen Ausgaben der öffentlichen Verantwortung eines Sozialstaates gerecht, wo Alters- und Kinderarmut zunehmen, und immer mehr Menschen keine Option sehen, als zur Tafel zu gehen?
- Entspricht die Aufteilung den Vorgaben des Koalitionsvertrags, demzufolge z.B. die Ausgaben für Krisenprävention, Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit im Maßstab eins-zu-eins wie die Ausgaben für Verteidigung steigen sollten?
- Entspricht dies dem Aufwand, der nötig wäre, um die Klimakatastrophen bei uns einzudämmen und ein wenig die materiellen Schäden und Verluste (loss and damage) auf der ganzen Welt zu kompensieren, verursacht durch Deutschlands Exportfixierung und Rohstoffhunger?
- Und wenn wir die Prioritäten erstmal so stehen ließen, nach welchen und wessen parteipolitischen Kriterien werden Kürzungen denn entschieden?
Aber zu aller-aller-erst – warum muss überhaupt gekürzt werden?
Die Schuldenbremse wurde ins Grundgesetzt eingeschrieben, um die Maastricht Kriterien inklusive einer Schulden-zu-BIP-Quote von 60 Prozent und eine drei-Prozent-Obergrenze fürs Haushaltsdefizit zu spiegeln. Man – es waren Männer – entschied sich 1991 für einen akzeptabel klingenden Mittelwert der damaligen Schuldenquoten einiger europäischer Volkswirtschaften. Viele Eurostaaten haben seit Jahren eine weit höhere Staatsverschuldung, wie z.B. Frankreich (von den Ländern mit Dollar oder Yen ganz zu schweigen). Es gibt für diese Maßzahlen keine objektiven makro-ökomischen Indikatoren: wie hoch sich ein Staat verschulden kann, hängt makroökonomisch zuvorderst davon ab, ob die Ausgaben produktivitätsfördernd sind, von Zinssätzen, und vielen anderen politischen Faktoren. Und sollte sich nach sozialen und klimapolitischen Ausgabenerfordernissen orientieren, nicht an Zufallszahlen.
OXFAM hat berechnet, dass eine fünfprozentige Steuer auf Multi-Milliardär*innen 1,7 Billionen Dollar erbringen könnte.
Aber: sollte mensch wirklich an den Maastricht-Kennzahlen festhalten wollen, warum erhöhen wir nicht die Steuereinnahmen, um erhöhte Ausgaben zu stemmen? Die G20, angeregt von Präsident Lula von Brasilien, diskutiert gerade politisch eine Steuer auf die Superreichen, um einen globalen Fonds gegen Hunger und Armut zu finanzieren. Wissenschaftlich wird dessen Machbarkeit aktuell berechnet von der Nobelpreisökonomin Esther Duflo und dem Direktor der Europa-Steuerbeobachtungsstelle Gabriel Zucman. Die doch sonst so konservative Regierung Großbritanniens hat eine Steuer auf Übergewinne eingeführt, und OXFAM hat berechnet, dass eine fünfprozentige Steuer auf Multi-Milliardär*innen 1,7 Billionen Dollar erbringen könnte. Der UN Pact for the Future, der im September in der UN verhandelt wird, plädiert für eine UN-Rahmen-Konvention zu internationaler Steuerkooperation und eine Reichensteuer. Die Steuerfrage ist im neoliberalen Finanzministerium tabu, das ist bekannt, aber auch von den Grünen und SPD-Regierungsparteien hören wir dazu zu wenig Nachdenken.
Neuerdings hören wir des Öfteren, dass wir “kriegstüchtig” werden müssten. Eine erschreckende Militarisierung der Sprache (und der Ausgabenpolitik).
Zweitens: warum verschiebt sich die Sprache so? Bislang ging es um Verteidigungsfähigkeit, und es ist selbst für Pazifist*innen klar, dass wir uns als Kommune oder als Land gegen diktatorische Regime, Terroranschläge und Länder, die das Völkerrecht verachten, verteidigen können müssen. Aber neuerdings hören wir des Öfteren, dass wir “kriegstüchtig” werden müssten. Eine erschreckende Militarisierung der Sprache (und der Ausgabenpolitik).
Ähnlich bei der Entwicklungszusammenarbeit: sie wird jetzt immer häufiger begründet mit Sicherheitsinteressen und Wirtschaftsförderung. Das ist ehrlich – schließlich heißt das zuständige Ministerium „Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“, und wie alle diese Partner*innenschaften weltweit orientieren sich Programme stark an den Sicherheitsinteressen und geopolitischen Strategien des jeweiligen „Geber“landes. Der normative Ursprung der Entwicklungszusammenarbeit jedoch lag ganz anders in Anliegen von Solidarität, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung: das bekannte Versprechen, dass wohlhabende (ex-Kolonial)Länder 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungs“hilfe“ ausgeben sollten, wurde von Kirchengemeinschaften gefordert und dann von der UN aufgegriffen. Das war in den 60er Jahren. Eingelöst ist es mit wenigen Ausnahmen leider immer noch nicht.
Unsere Antworten
Was können wir als Ökofeminist*innen zum Budgetstreit sagen? Konkret fordern wir erstens ein Aussetzen und dann so bald wie möglich ein Aussteigen aus der Schuldenbremse; zweitens ein Absichern und alsbald Aufstocken der sozio-ökologisch zentralen Ausgabenposten. Dazu ließe sich übrigens endlich gender budgeting einführen, um den Haushalt auf seine Effekte auf die verschiedenen Geschlechter abzuklopfen. Das kann doch nicht so schwer sein. Wir fordern außerdem, dass Deutschland sich proaktiv für die UN-Rahmen-Konvention zu internationaler Steuerkooperation einsetzt. Dazu ist dieser Arte-Film „Der Krieg der Steuern“ anschaulich.
Und wir fordern, dass Solidarität, Gerechtigkeit und Friedfertigkeit wieder Leitmotive der Politik werden. Damit würden soziale, Klima- und Gendergerechtigkeit die entscheidenden Kriterien der Haushaltsdebatte werden. – Und dann sehen wir weiter!