Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz durch Unternehmen – in einem Abkommen

von Gabriele Köhler und Karolin Seitz

[gekürzte Fassung. Den vollständige Artikel findet ihr auf der Seite der DGVN]

Vom 25. bis 29. Oktober verhandelt der UN-Menschenrechtsrat in Genf über ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten. Deutschland und die EU zögern noch, ob sie proaktiv dabei sein wollen. Was steht auf dem Spiel?

Worum es bei den Verhandlungen um das „verbindliche Abkommen Wirtschaft und Menschenrechte“ (Binding Treaty Business and Human Rights) geht? Schlicht gesagt um faire, gute und gesunde Arbeits- und Produktionsbedingungen: Um Menschenrechte, Arbeitsrecht und Umweltschutz.

Aus Sicht der Menschen in globalen Wertschöpfungsketten geht es darum, den Konkurrenzdruck zwischen Unternehmen einzuhegen, der in so vielen Fällen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse sowie klima- und umweltschädliche Produktionsprozesse verursacht. Viele der bekannteren Lieferketten –für Computerchips, Textilien, Lebensmittel, oder Blumen – beschäftigen überwiegend Frauen, oft in ausbeuterischen und gesundheitsgefährdenden Arbeitsverhältnissen. Bei vielen Rohstoffen, wie Gold, Kakao oder seltenen Erden, herrscht bis heute in vielen Ländern Kinderarbeit vor. Es geht also auch um längst verbriefte Arbeits-, Frauen- und Kinderrechte. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen sehen sich mit großen Hürden konfrontiert, die verantwortlichen Unternehmen vor Gericht zur Rechenschaft zu ziehen und Schadensersatz zu erhalten.

Aus Sicht der Unternehmen geht es darum, dass alle nach den gleichen Standards arbeiten (auf Englisch oft als „level playing field“ bezeichnet) und sich nicht durch unfaires oder gar schädliches Verhalten gegenseitig unlautere Konkurrenz durch maximalen Druck auf ihre Gewinnspannen machen. Und in der globalisierten Welt geht es darum, dass die gleichen Rechte und hohen Standards entlang der ganzen Wertschöpfungs- oder Lieferkette gelten.

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Ein Zwischenspiel: Das deutsche Lieferkettengesetz

Bekanntlich hat es die vergangene Bundesregierung nach harten Auseinandersetzungen geschafft, das im Koalitionsvertrag von 2017 versprochene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu verabschieden. Das nach langen regierungsinternen Streitigkeiten schlussendlich verabschiedete Gesetz ist verwässert im Vergleich zu vorherigen Entwürfen aus dem Entwicklungs- und Arbeitsministerium. Aber es ist ein erster Schritt. Bis Ende des Jahres will auch die EU-Kommission einen Entwurf für eine entsprechende Richtlinie vorlegen. Es ist zu hoffen, dass das europäische Lieferkettengesetz über das deutsche Gesetz hinausgeht.

Die nächsten internationalen Schritte

Worum geht es jetzt Ende Oktober in Genf? Es wird im großen Menschenrechtssaal im Völkerbundpalast Verhandlungen am Text geben, Paragraf um Paragraf. Der Vertragsentwurf, der jetzt in der dritten Fassung vorliegt, ist seit den ersten skizzierten „Elementen“ gewachsen und konkretisiert worden.

Unternehmen wären verpflichtet, die Menschenrechte einzuhalten, die mit Verweis auf die Menschenrechtskonventionen und die Kernarbeitsnormen der ILO im Text verankert sind. Das noch relativ junge ILO-Übereinkommen über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt (Nr. 190 von 2019) ist ausdrücklich benannt. Insoweit  greift der Entwurf Forderungen zu Geschlechtergerechtigkeit auf, die in vielen Produktionsstätten und Arbeitsbeziehungen verletzt werden – durch miserable Löhne, Verbot von Gewerkschaften, fehlende Sozialversicherung und Mutterschutz, und Gewalt am Arbeitsplatz.

Der dritte Entwurf geht zudem auf umweltpolitische Forderungen ein; er formuliert das Recht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt als Teil der Grundfreiheiten – wie übrigens auch das soeben verabschiedete Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Unternehmen sollen die Auswirkungen auf Umwelt und Klima analysieren, negativen Auswirkungen vorbeugen und eingetretene Schäden beheben und wiedergutmachen.

Alle Schritte der Geschäftstätigkeit – von der Produktion, Transport, Vertrieb, Marketing bis zum Einzelhandel – sind einbezogen. Dies gilt für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe. Das ist ein maßgeblicher Unterschied zum deutschen Lieferkettengesetz, das nur für Großunternehmen gilt.

… und Deutschland?

Wie eingangs erwähnt, beteiligt sich Deutschland bislang nur verhalten an den Verhandlungen. Vorwand war lange Zeit, dass die Regierung sich nicht für internationale Regeln aussprechen könne, solange es auf nationaler Ebene keine Grundsatzentscheidung über eine entsprechende Regulierung gebe. Aber dieser Vorwand kann seit Verabschiedung des Lieferkettengesetzes nicht mehr gelten.

Die Zivilgesellschaft in Deutschland und international erwartet nun, dass sich die Koalitionspartnerinnen und -partner einer neuen Bundesregierung progressiv und konstruktiv in diesen so wichtigen multilateralen Prozess einbringen. Deutschland hätte die Gelegenheit, sich mit vulnerablen Gruppen und den Ländern des globalen Südens multilateral zu solidarisieren, und sein leicht verspieltes Renommee als Menschenrechtsverteidiger- und Klimaschutzvorreiterland damit zu erneuern.

 

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