Gemeinsamer Brief von NGOs an Bundesminister Hubertus Heil zu Belästigung am Arbeitsplatz

An den Bundesminister für Arbeit und Soziales | Herrn Hubertus Heil | Wilhelmstraße 49 | 10117 Berlin | Betreff: Ratifizierung der ILO-Konvention 190

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

wir begrüßen sehr, dass die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) im Juni 2019 mit großer Mehrheit erstmals einen internationalen Vertrag gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz verabschiedete. Das in Genf beschlossene Übereinkommen schreibt sowohl Vorschriften zur Verhinderung von Gewalt als auch Unterstützung für Opfer vor. Der internationale Standard stellt den ersten gesetzlich bindenden internationalen Vertrag zum Thema Gewalt dar, muss aber immer noch von den Mitgliedsstaaten ratifiziert, beziehungsweise in nationales Recht übernommen werden. Damals sagten Sie zurecht, dass die ILO damit ein wirkungsvolles internationales Instrument geschaffen hat, um Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt zu bekämpfen und versprachen: „Deutschland bekennt sich dazu und wird eine schnelle Ratifizierung des Übereinkommens in Angriff nehmen.“

Nun sind bereits 18 Monate vergangen und Deutschland hat diese wichtige Konvention noch immer nicht ratifiziert! Es heißt zwar, dass Deutschland dazu bereit wäre, aber dazu ein Beschluss des EU- Rates nötig sei und es dort Staaten gebe, die aus inhaltlichen Gründen eine Ratifizierung blockieren. Aber darf deshalb der Prozess aufgehalten werden? Welche Schritte hat Deutschland, das derzeit die Ratspräsidentschaft der EU innehat, unternommen, um den Prozess voranzubringen? Es herrscht hierzu ein eklatanter Mangel an Transparenz und Kommunikation.

Es ist höchste Zeit: Sowohl in Deutschland als auch in globalen Wertschöpfungsketten sind Mädchen und Frauen größeren, geschlechtsspezifischen Risiken ausgesetzt als Männer. Jede achte Frau in Deutschland war 2018 von sexueller Belästigung betroffen. Die Corona-Pandemie hat die Geschlechterungerechtigkeit in allen Gesellschaftsbereichen, insbesondere in globalen Lieferketten, nochmals mehr als deutlich gemacht. Mit der ILO-Konvention 190 existiert nun endlich ein internationales Übereinkommen, dass verbindliche Mindeststandards setzt, damit sich Menschen weltweit wirksam gegen Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wehren können.

Sehr geehrter Herr Minister, wir würden uns freuen, wenn wir in Ihnen einen engagierten Mitstreiter in Sachen geschlechtergerechtes Arbeiten – in Deutschland und in globalen Lieferketten – finden und freuen uns auf eine baldige Rückmeldung!

 

Mit freundlichen Grüßen,

  • Christophe Mailliet | Geschäftsführer ASW – Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt
  • Dr. Gisela Burckhardt | Vorstandsvorsitzende FEMNET e.V.
  • Jens Martens | Geschäftsführer Global Policy Forum
  • Jessica Espinoza | Vorstandsfrau TERRE DES FEMMET
  • Heike Drillisch | Koordinatorin CorA – Netzwerk für Unternehmensverantwortung
  • Susanne Sengstock | Pastorin & Leitung Frauenwerk der Nordkirche
  • Prof. Dr. h.c. Christa Randzio-Plath | Vorstandsvorsitzende Marie-Schlei-Verein
  • Sascha Gabizon | Geschäftsführerin Women Engage for a Common Future
  • Claudia Brück | Vorständin Kommunikation und Politik TransFair
  • Philipp Mimkes | Geschäftsführer FIAN Deutschland
  • Marion Lieser | Vorstandsvorsitzende Oxfam Deutschland e.V.

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