Feministische Außenpolitik? Deutschland will nachziehen

Neben Schweden, Mexiko, Kanada und weiteren Ländern hat sich nun auch die neue deutsche Bundesregierung einer „Feministischen Außenpolitik“ verschrieben. Der Konsultationsprozess mit Mitarbeitenden aus dem Auswärtigen Amt, Partner*innen, Expert*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft hat bereits begonnen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 2023 veröffentlicht und die Leitlinien der deutschen feministischen Außenpolitik prägen.

Die Außenpolitik Deutschlands ist das erste Politikfeld, das ausdrücklich von den zuständigen Stellen als feministisch bezeichnet wird. Dabei ist es für viele nicht von vornherein klar, wieso gerade in der Außenpolitik ein feministischer Weg eingeschlagen werden soll und was überhaupt unter Feminismus in diesem Zusammenhang konkret zu verstehen ist. Letzteres ist auch im nicht-außenpolitischen Bereich durchaus umstritten, womöglich gerade wegen des alten und heute immer noch bestehenden Vorurteils, der Feminismus würde im Endeffekt nur der stärkeren Machtposition von Frauen* und der Entmachtung der Männer dienen. Dabei bewegt sich Feminismus schon längst nicht mehr in einem derart engen, binären und cisgenderzentrierten Raum, sondern zeichnet sich vielmehr durch inklusive, intersektionale Grundstrukturen aus. Er dient der kritischen Auseinandersetzung mit und Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierungen, die den Wechselwirkungen verschiedener Benachteiligungen bezüglich Geschlechtsmerkmalen, Geschlechterrollen, sexueller Orientierung, Hautfarbe, Behinderung oder Herkunft entstammen. Diese Diskriminierung wirkt vielfältig in jedem Lebensbereich, auch in der Außenpolitik: durch stark männerdominierte Strukturen werden die Perspektiven und Erfahrungswelten von Männern bevorzugt, während Frauen und andere marginalisierte Gruppen umso weniger beteiligt, gehört und ernst genommen werden. Geschlechtsspezifische Benachteiligungen werden durch eine dementsprechend strukturierte Außenpolitik weltweit reproduziert und zementiert. Dabei sind insbesondere Frauen, Mädchen und nicht genderkonforme Personen deutlich stärker als Männer von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen, nicht selten verstärkt durch systematische, bewaffnete Unterdrückung. Trotzdem werden vor allem in das Militär und dessen Aufrüstung Gelder und Energie gesteckt, statt sich friedvollen Konfliktlösungen zu widmen. Bemerkenswert hierbei ist: die Wahrscheinlichkeit, dass Konfliktlösungen mindestens 15 Jahre lang halten, steigt um 35%, sobald Frauen am Friedensprozess beteiligt sind.

An welchen „Baustellen“ muss eine feministische Außenpolitik also ansetzen? Ein Schwerpunkt sollte zunächst auf den internationalen Wirtschaftsbeziehungen liegen. Einerseits hängt die Unterstützung von Entwicklungsländern durch wirtschaftlich starke Länder grundsätzlich davon ab, dass sich diese Unterstützung für den stärkeren Partner im Ergebnis rentiert. Kleine, wirtschaftlich schwächere Staaten werden dabei zurückgelassen und ausgegrenzt. Sogar die WTO arbeitet nach diesem System. Autoritäre und diktatorische Staaten, die so gut wie immer patriarchalisch organisiert sind, beeinflussen zunehmend die Arbeit der WTO und der UN. Ohne eine Distanzierung von solchen Staaten und Methoden ist keine vollwertige Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen in der internationalen Politik möglich.

Andererseits bedarf auch das „Wie“ des Handeltreibens einer völligen Umstrukturierung: durch Hyper-Kapitalismus der Wirtschaft wird der Handel nach dem größtmöglichen finanziellen Gewinn betrieben und macht sich ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, Umsiedlungen, Landergreifungen und ökologische Zerstörung zunutze, ohne auf die Auswirkungen auf Mensch und Natur Rücksicht zu nehmen. Opfer und besonders gefährdete Personengruppen müssen für die Schäden der hierdurch entstandenen Klimaveränderung entschädigt und beim Wiederaufbau unterstützt werden. Im Endeffekt muss sich eine feministische Außenpolitik an der Sicherheit der Menschen, nicht der Staaten orientieren und dementsprechend den Schutz und die Durchsetzung von Menschen-, Arbeits- und Umweltrechten sichern.

Ob Deutschland eine feministische Außenpolitik führen wird, die sich all diesen Strukturproblemen angemessen widmet, bleibt abzuwarten. Allein ist es bei diesem Unterfangen immerhin nicht, obwohl auch die anderen Länder bei der Umsetzung ihrer feministischen Außenpolitik-Pläne mit Schwierigkeiten kämpfen. Zumindest werden die Leitlinien im Frühjahr nächsten Jahres einen ersten Eindruck über die zukünftige Außenpolitik ermöglichen.