Fazit zur Internationalen zivilgesellschaftlichen Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICSCCM) 2021

Bei der NGO Konferenz “Tomorrow without Toxics” wurde facettenreich zum Thema “Internationales Chemikalienmanagment”diskutiert – mit spannenden Ergebnissen.

In der Woche vom 22. bis 26. November 2021 fand die Internationale zivilgesellschaftlichen Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICSCCM) „Tomorrow without Toxics“ unter der Koordination vom Forum Umwelt und Entwicklung statt. Mehr als 350 Teilnehmer*innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und sozialen Bewegungen aus der ganzen Welt trafen sich online, um sich mit dem Thema Chemikaliensicherheit und den Herausforderungen der internationalen Regulierung von Chemikalien und toxischen Stoffen zu befassen. Mehr als 26 Veranstaltungen boten mannigfaltigen Raum zum Austausch. Die täglich stattfindenden ‘Main Panel’ befassten sich mit Fragen wie “Soziale Ungerechtigkeit im internationalen Chemikalienmanagement”, “Chemikalien in Produkten und das Recht auf Information”, “Pestizide: Einsatz und Exposition” oder “Ideale Lösungsansätze für das internationale Chemikalien Management”.

Wir von WECF haben als Partnerorganisationen der Konferenz gemeinsam mit dem BUND, HEJ-Support, PAN Germany die Veranstaltung mit unserer Expertise unterstützt, die Veranstaltung mit konzipiert, Sitzungen vorbereitetet, Runde Tische organisiert und durchgeführt sowie Panels moderiert. 

Die Teilnehmer*innen diskutierten über eine weites Feld chemikalien-politisch relevanter Themen, die von Bildung für nachhaltige Entwicklung über Lieferkettenpolitik, dem Gender Aspekt bis hin zu kontaminierten Ozeanen reichten. Den Hintergrund für diese Konferenz bildete der Strategic Approach on International Chemicals Management, SAICM. Bei dem derzeit ins Stocken geratene Verhandlungsprozess für ein SAICM-Beyond-2020-Rahmenwerk hat Deutschland die Präsidentschaft und damit eine besondere Verantwortung den Prozess voranzutreiben. Vorgesehen war, 2020 ein Folgeabkommen von SAICM zu verabschieden, nachdem das Ziel des ursprünglichen Rahmenwerkes, nämlich bis 2020 zu einem nachhaltigen Umgang mit Chemikalien über ihren gesamten Lebenszyklus zu gelangen, nicht wie vorgesehen erreicht wurde. Pandemie-bedingt ist es bisher nicht zur Verabschiedung eines Folgeprozesses gekommen, die Verhandlungen sind vielmehr ins Stocken geraten, während gleichzeitig die Belastung durch schädliche Chemikalien weltweit weiter zunimmt. 

Deshalb bot die ICSCCM auch besonders die Möglichkeit, Schwerpunktbereiche von SAICM, wie z.B. den Umgang mit hochgefährlichen Pestiziden, hormonelle wirksame Chemikalien oder Chemikalien in Produkten, zu diskutieren sowie verschiedene Forderungen für ein SAICM Beyond 2020. 

WECF war gemeinsam mit HEJ-Support, Toxics Link und AWHHE am ersten Tag Gastgeberin des „Roundtable“ zu Frauen und Chemikalien, der die Möglichkeit zu einem Austausch zu Fragen rund um Gender und Chemikalien bot. Den Main Panel im Anschluss zu „Social Injustice in International Chemicals Management“ moderierte Chantal Van den Bossche, Koordinatorin für Kommunikation von WECF International mit Sitz in den Niederlanden und ging mit ihren Gästen genauer der Frage nach, wie die Produktion und Verwendung von Chemikalien sich im Allgemeinen auf Umweltgerechtigkeit auswirkt und wie sie mit Faktoren wie Armut, Geschlecht, sozialem Status und ethnischem Hintergrund zusammenhängt. Sascha Gabizon, die internationale Direktorin von WECF, war Gastgeberin und Moderatorin des Main Panels zum Thema „Pesticide use and exposure“. Mit Vertreter*innen von NGOs, die sich zu dem Thema engagieren, erörterte Sascha die Risiken für Umwelt und Mensch, die beim Einsatz von Pestiziden entstehen. Es wurden Optionen zur Beseitigung der Risiken diskutiert, die zu einer schrittweisen Einstellung des Einsatzes hochgefährlicher Pestizide führen sollen.

Lebendig, reich an Wissen, mit dem Blick nach Vorne

Ausgezeichnet hat diese lebendige Konferenz, bei der sich die unterschiedliche Expertise aller beteiligen zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Menschen aus der ganzen Welt zeigte, durch die offene und ausführliche Diskussion über die Verwendung von schädlichen Chemikalien, die Exposition und deren Regulierung.

Am Ende der Konferenz stand eine interaktive Session, in dem die Partnerorganisationen der Konferenz und Teilnehmer*innen gemeinsam an einem Aufruf, namentlich “SAICM-Beyond 2020 – Call to Action for a Tomorrow without Toxics“, diskutierten. Dieser soll nach seiner Fertigstellung möglichst viele Unterstützer*innen für eine sichere und nachhaltige Regulierung von Chemikalien gewinnen.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Konferenz:

  • Das Hauptproblem, mit dem wir konfrontiert sind, ist nicht der Mangel an Wissen oder fehlende Vorschriften auf nationaler und internationaler Ebene. Es ist vor allem der fehlende politische Wille, bestehende Vorschriften umzusetzen und verbindliche Elemente und Konventionen festzulegen. 
  • Wir müssen das Bewusstsein für die Chemikalienproblematik schärfen und uns ein umfassendes Bild davon machen, welche Folgen es hat, nicht zu handeln. Wir müssen weg von technischen und wissenschaftlichen Diskussionen und hin zu greifbaren Informationen. Wir müssen den Bildungssektor einbeziehen und damit beginnen, auf allen Ebenen mit Bildung aufzuklären. 
  • Wir brauchen einen soliden Finanzierungsmechanismus, um bestehende Probleme zu lösen und SAICM Beyond 2020 auf allen Ebenen zu verankern. Neben der Finanzierung der Umsetzung muss auch die Finanzierung der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft gewährleistet sein. Der größte Teil der Finanzierung sollte durch das Verursacherprinzip sichergestellt werden. 
  • Nach dem Verursacherprinzip müssen die Industrie und die Unternehmen, die schädliche Chemikalien herstellen und verwenden, zur Verantwortung gezogen werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Unternehmen und Personen von der Verschmutzung der Umwelt und der Menschen profitieren.
  • Transparenz ist ein Schlüsselfaktor für die Verwirklichung eines nachhaltigen Chemikalienmanagements und der SDGs. Sie könnte auch dazu beitragen, Doppelstandards zu beseitigen, sicheres Recycling zu ermöglichen, den Zugang zu Informationen als Grundlage für die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen zu erleichtern und die Länder in die Lage zu versetzen, Gesetze durchzusetzen. Es besteht ein Bedarf an einem harmonisierten Transparenzstandard und einer unabhängigen Überprüfung.
  • Chemikalien im Allgemeinen sind ein dringendes Problem, und es besteht Bedarf an einer starken und ehrgeizigen Regulierung. Zusätzlich zur allgemeinen Regulierung müssen wir die Diskussion über verschiedene spezifische Regulierungsrahmen anregen, wie z. B. das derzeit in Arbeit befindliche Kunststoffabkommen oder einen rechtsverbindlichen Rahmen für Pestizide.
  • Gleichberechtigte und faire Beteiligung und Anwesenheit aller Interessensvertreter, Rechteinhaber und Betroffenen im Verhandlungsprozess. Nur so kann das Bewusstsein für die verschiedenen Belastungen gewährleistet werden. Neben der direkten Beteiligung der Menschen sollten auch die Forschungsergebnisse der Betroffenen respektiert und finanziert werden. 
  • Veranstaltungen wie die Konferenz “Tomorrow without Toxics” sind äußerst wichtig, um einen Raum für den Austausch zwischen der Zivilgesellschaft zu schaffen. Es sind mehr solcher Gelegenheiten erforderlich, es muss mehr Raum geschaffen werden, und NGOs aus allen Regionen der Welt müssen die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen.

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