Erste Regierungskonferenz zum globalen Plastikabkommen beendet

Chemikalien in Plastik müssen berücksichtigt werden

 

München / Punta del Este, Uruguay 3. Dezember 2022

Die erste Verhandlungsrunde über ein globales Plastikabkommen endete am Freitag, den 2.12.2022 mit einer Einigung über die Beendigung der Plastikverschmutzung, aber einer Meinungsverschiedenheit darüber, ob die Ziele und Bemühungen global und verpflichtend oder freiwillig und länderspezifisch sein sollten. Mehr als 2.000 Delegierte aus 160 Ländern trafen sich in Uruguay zur ersten von fünf geplanten Sitzungen des zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC), um bis Ende 2024 das erste rechtsverbindliche Abkommen zur Plastikverschmutzung auszuarbeiten.

Gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt haben wir von WECF die erste Verhandlungsrunde begleitet. Das zweite Treffen des INCs findet im Mai 2023, voraussichtlich in Paris statt. WECF ist Mitglied der #BreakFreeFromPlastic-Bewegung, bffp, und der CIEL (Center of Environmental Law) Plastik Taskforce Allianz.

Was geschah bei INC-1? Ein paar Highlights

Während die Tagesordnung der ersten Sitzung voller Verfahrensfragen zu sein schien, wurden richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Diese reichten von der Zusammensetzung des leitenden Büros bis hin zur Annahme von den Regeln, die festlegen sollen, wie Staaten und Interessenvertreter*innen teilnehmen können. Deutlich zu erkennen war eine Spaltung der Länder in zwei Gruppierungen: Bei den Verhandlungen standen sich eine “High Ambition Coalition” und Länder mit weniger ehrgeizigen Zielen gegenüber. Zu den Ländern, die mit hohem Anspruch für ein umfassendes starkes Abkommen eintreten, gehörten auch Mitglieder der Europäischen Union. Zu der zweiten Gruppe gehörten Länder wie die Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien, die über die weltweit größten Kunststoff- und Petrochemie-Unternehmen verfügen.

“Die Wissenschaft ist sich einig, dass Chemikalien in und aus Plastik Krankheiten verursachen. Die nachweisbare Belastung der Menschen ist hoch, wie die europäische HBM4EU Studie zeigt. Viele Delegierte forderten deshalb in dieser ersten Verhandlungsrunde, Materialien und Chemikalien, aus denen Kunststoffe hergestellt werden, transparent zu machen und zu regulieren. Ein Plastik-Abkommen muss nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit vor den Auswirkungen von Kunststoffen schützen. Er muss ein Instrument werden, das auf einem Menschenrechtsansatz beruht, das sich mit den unverhältnismäßigen gesundheitlichen Auswirkungen auf die schwächsten und gefährdetsten Bevölkerungsgruppen befassen muss, darunter Kinder, Jugendliche, Schwangere und Arbeitnehmer*innen, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Verursacher*innen wie die Kunststoff-Industrie erzeugen absichtlich Zweifel an den gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Produkte. Wenn das Abkommen seine Ziele, inklusive der gesundheitlichen, erreichen soll, ist es unerlässlich, strenge Regeln für Interessenkonflikte festzulegen.” Johanna Hausmann, WECF

Eine Mischung aus Höhe- und Tiefpunkten schuf erste Voraussetzungen für den zweijährigen Prozess, der zu einem der bedeutendsten multilateralen Umweltabkommen der Geschichte führen könnte.

Zu den positiven Ergebnissen gehören

  • die vielen Forderungen nach einer grundsätzlichen Verringerung der Kunststoffproduktion und -verwendung,
  • Forderungen nach der Beseitigung der mit dem Lebenszyklus von Kunststoffen verbundenen Giftstoffe und nach mehr Transparenz auch bezüglich der Inhaltsstoffe
  • Forderungen nach dem Schutz der menschlichen Gesundheit und nach einem gerechten Übergang, die von vielen Mitgliedstaaten und sogar von zwei der größten Kunststoffverschmutzer, Nestle und Unilever, unterstützt werden.

Die Teilnahme von Mitgliedstaaten aus Lateinamerika, der Karibik, Afrika und dem Pazifik – insbesondere von kleinen Inselstaaten – war besonders bemerkenswert, da sie eine starke Stimme für die Dringlichkeit und den hohen Anspruch dieser Vertragsverhandlungen waren.

Darüber hinaus lieferte eine vielfältige Koalition von Mitgliedern der Zivilgesellschaft wichtiges Fachwissen zur bis dato unterrepräsentierten Perspektiven über den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen. Insbesondere die starke Rolle der Müllsammler*innen führte zur Gründung der Just Transition Initiative, die auf die bisherige Group of Friends of Wastepickers aufbaut: Sie wird die Vertretung bei zukünftigen INCs sicherstellen und den mehr als 20 Millionen Menschen, die weltweit als Müllsammler*innen arbeiten, Sichtbarkeit verleihen wird.

Wie sich die Teilnahme an den Verhandlungen gestaltet, bleibt noch unklar

Eines der umstrittensten Themen, die Verabschiedung der Geschäftsordnung, die festlegen wird, wie Staaten und Organisationen an künftigen Verhandlungen teilnehmen können, wurde noch nicht abgeschlossen und wurde auf die INC-2 im Mai 2023 verschoben. Zu den noch offenen Fragen gehört, ob die EU-Mitgliedstaaten jeweils eine Stimme haben werden oder ob sie bei Abstimmungen als ein Block behandelt werden und ob Entscheidungen nur im Konsens getroffen werden sollen. Letzteres scheint vielen Beobachter*innen ein strategischer Trick zu sein, um mögliche Maßnahmen zu schwächen, die zur Reduzierung der Plastikproduktion ergriffen werden könnten.

Darüber hinaus wurde wertvolle Verhandlungszeit und Geld auf die Diskussion über das Multi-Stakeholder-Forum, MSF, verwendet. Das Multi-Stakeholder-Forum fand einen Tag vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen statt, mit dem Ziel, dem INC einen Bericht vorzulegen. Das Multi-Stakeholder-Forum ist nicht im UN-Mandat zur Ausarbeitung des Vertrags enthalten und drängt NGOs die Vermutung auf, dass dies ein Versuch ist, die Stimmen der Zivilgesellschaft und der Rechteinhaber*innen von direkten und sinnvolleren Formen der Beteiligung am Prozess der Vertragsentwicklung abzuhalten. Deshalb forderten wir mit den Mitgliedern von bffp, dass der INC einen Verhandlungsprozess entwickelt, der der Zivilgesellschaft einen sinnvollen Zugang ermöglicht und die entscheidende Rolle von zivilgesellschaftlichen Gruppen wie indigenen Völkern, Wissenschaftler*innen, Arbeitnehmer*innen aus dem formellen und informellen Sektor, Gewerkschaften sowie vom Klimawandel und der Plastikverschmutzung besonders gefährdeten Gemeinschaften anerkennt, die wertvolle Erfahrungen in alle Aspekte des Prozesses und des zukünftigen Instruments einbringen.

Der Wolf im Schafspelz – Plastikindustrie tritt als NGOs auf

Besorgniserregend waren die zahlreiche Anwesenheit führender Kunststoff- und Chemieunternehmen im Verhandlungsprozess, die ich vielfach hinter einem NGO-Abzeichen versteckten, und die mangelnde Transparenz seitens des UNEP. Interessenvertreter*innen, die an dem Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation, WHO, zur Eindämmung des Tabakkonsums teilgenommen haben, sprachen sich nachdrücklich für den Ausschluss der Kunststoffindustrie aus den Verhandlungen aus, analog zum Ausschluss der Tabakindustrie aus den Tabakverhandlungen, was zu einem stärkeren und wirksameren Rahmenwerk führte.

Im Hinblick auf künftige INC-Tagungsorte einigten sich die Länderdelegierten darauf, die nächste INC-2 in der Woche vom 22. Mai 2023 ausschließlich persönlich in Paris abzuhalten, sofern allen Verhandlungsführenden der Delegationen der Mitgliedstaaten mindestens zwei Wochen vor der Tagung Visa erteilt werden können. Andernfalls wird das Treffen nach Nairobi verlegt.

#BreakFreeFromPlastic-Petition für eine starkes Plastikabkommen

Nach Abschluss der INC-1, hat die #BreakFreeFromPlastic-Bewegung eine globale Petition gestartet, die wesentliche Elemente für den Vertrag enthält, um die Krise der Plastikverschmutzung wirksam zu bekämpfen.

 

Bild im Header: Delegation aus Malaysia, credits: IISD

Weitere Infos

Kontakt

Johanna Hausmann, johanna.hausmann@wecf-cosultant.org