Den richtigen Weg wählen, an diesem Wendepunkt der Geschichte

Gemeinsam mit anderen NGOs unterstützen wir den Aufruf der Zivilgesellschaft für Solidarität und zu einem starken Engagement für den ökologischen und sozialen Wandel im Hinblick auf Widerstandsfähigkeit, Energieunabhängigkeit und Frieden

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein schrecklicher Akt der Aggression und ein Versagen der Diplomatie. Er ist ein Wendepunkt in der Geschichte – für die Ukraine, für Europa und für die internationale Ordnung. Er hat die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen deutlich offengelegt. Wir können nicht ignorieren, dass wir in einer Welt leben, in der autokratische Regime Krieg führen können und werden. Die EU muss daher mit einer klaren Verpflichtung zur Beschleunigung einer grünen und gerechten Energiewende reagieren, um unsere Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Gemeinsam mit 70 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen rufen wir zu Solidarität und Engagement für den ökologischen und sozialen Wandel auf, um Widerstandsfähigkeit, Energieunabhängigkeit und Frieden zu erreichen. 

Im Angesicht des fortwährenden Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine fordern wir die Entscheidungsträger*innen der EU dazu auf, wie nie zuvor für unsere gemeinsame Zukunft zusammenzuarbeiten und sich zu folgenden Maßnahmen zu verpflichten:

1 – Sofortiger Frieden und Solidarität – nicht nur für Ukrainer*innen sondern für alle Menschen, die nach Europa fliehen. Dies beinhaltet auch das Recht auf Schutz und Asyl, sowie die Beendigung der ungerechten Behandlung von Geflüchteten aus anderen Krisen- oder Kriegsgebieten, die in Europa ankommen. Die EU muss sich auf eine neue europäische Politik für eine legale Einwanderung einigen. Solidarität und internationale Unterstützung muss auch den Ländern gelten, die Geflüchtete aufnehmen sowie Ländern im globalen Süden, deren Energie- und Lebensmittelpreise drastisch steigen.

2 – Stop aller Importe von russischen fossilen Brennstoffen und Verpflichtung zur Beschleunigung der vollen Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen: Wir fordern eine sofortige Verringerung und eine schnelle Eliminierung von russischen fossilen Brennstoffen. Neue Öl- und Gasabhängigkeiten von anderen autokratischen Regierungen dürfen auf keinen Fall die Folge sein. Die EU-Regierungen müssen sich zu 100% nachhaltiger erneuerbaren Energien bis spätestens 2040 verpflichten. Damit einher geht auch die Entwicklung von grundlegend transformativen Strategien und Investitionen zum Thema Energieeinsparung, Energie- und Ressourceneffizienz sowie Kreislaufwirtschaft. Die EU und ihre Mitgliedsländer müssen außerdem Anreize und Finanzierungsmöglichkeiten weg von den fossilen Brennstoffen schaffen. Des weiteren muss ein startkes Fit-for55 Kilmapaket ausgehandelt werden. Der überholte Vertrag über die Energiecharta muss außerdem beendet werden und Gas und Kernkraft muss aus der Taxonomie ausgeschlossen werden.

3 – Sicherstellung einer sozial gerechten ökologischen Energiewende weg von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Materialien: Der europäische „Green Deal“ muss weiterhin unterstützt werden, um die Abhängigkeit der EU von Brennstoffen und Materialien rasch zu verringern und die wirtschaftliche, soziale und ökologische Widerstandsfähigkeit zu stärken. Die Energiewende muss mit einer gerechten Verteilung der Lasten und Verantwortlichkeiten einhergehen. Dafür muss das Steuer-, Preis- und Subventionssystem überarbeitet werden. Steuereinnahmen sollen für Investitionen in die Gebäudesanierung und in Maßnahmen zur Bekämpfung der Energiearmut und Mobilitätsarmut sowie zur Stärkung des Sozialsystems genutzt werden. Die EU und ihre Mitgliedsländer müssen in eine gerechte Energiewende investieren, zum Beispiel durch einen dauerhaften sozialen Klimafonds.

4 – Falschen und kurzfristigen Lösungen widerstehen: Die Schwachstellen des derzeitigen Systems wurden durch den Krieg noch deutlicher. Diese Erkentnis muss für die Beschleunigung eines nachhaltigen, naturfreundlichen Lebensmittelsystem genutzt werden, um die Gesundheit der Ökosysteme und deren Widerstandsfähigkeit sowie die Lebensmittel- und Wassersicherheit zu gewährleisten. Grüne Initiativen dürfen im Angesicht der Krise nicht pausiert werden, sondern das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur und die überarbeitete Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden muss innerhalb weniger Wochen verabschiedet werden. Bezüglich Düngemittel, Futtermittel und Lebensmittel muss sich die EU auf nachhaltige Lösungen konzentrieren, wie zum Beispiel auf agrarökologische Praktiken. Auch die Verbrennung von Wäldern sollte nicht mit dem Argument der Energieunabhängigkeit intensiviert werden, und die Verwendung von Nahrungsmittelpflanzen für Biokraftstoffe sollte auch schrittweise eingestellt werden. Forderungen nach einer Deregulierung von Umweltschutzmaßnahmen darf nicht nachgegeben werden, denn wir brauchen sozialen und ökologischen Schutz. Die vorgeschlagene Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien kann in einigen Fällen hilfreich sein, aber faktengestützte Umweltprüfungen und die Beteiligung der lokalen Bevölkerung sind nach wie vor unerlässlich, um die richtigen Projekte und Standorte auszuwählen und die Unterstützung der Gemeinschaft sicherzustellen. Die EU hat aus guten Gründen Maßnahmen zum Umwelt- und Gesundheitsschutz ergriffen und die Krise mindert nicht die Notwendigkeit dieser Schutzmaßnahmen.

5 – Weltweit für die Werte der EU und für Menschenrechte eintreten: Die EU ist und bleibt ein Friendsprojekt. Der Krieg ist daher ein Teil eines umfassenderen Angriffs auf das europäische Modell des Friedens, der Demokratie, des Engagements der Bürger*innen und Zivilgesellschaft sowie der Achtung der Rechtsstaatlichkeit. Daher muss in Diplomatie, Menschenrechte sowie faire und nachhaltige Handelspraktiken mit gleichgesinnten Partner*innen in der ganzen Welt investiert werden. Nur mit gegenseitigem Respekt und Zusammenarbeit hat der Angriff autoritärer Regime auf die Weltordnung eine Chance, gestoppt zu werden. Dies ist unsere gemeinsame Verantwortung.

Nur durch die Umsetzung der oben genannten Maßnahmen können wir sicherstellen, dass wir nicht Opfer der Geschichte sind, sondern Architekt*innen einer friedlichen und nachhaltigen Zukunft. Unsere gemeinsame Zukunft.

 

Gesamten Aufruf als PDF (EN)