Die Belastung mit Chemikalien in Alltagsprodukten mit einfachen Handgriffen verringern

Nestbau ist unser Informationsprogramm für junge Familien, Schwangere und alle, die wissen wollen, welche schädlichen Chemikalien in Alltagsprodukten stecken können und wie es möglich ist, sich vor ihnen zu schützen.

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Einkaufen gehen, ohne sich Gedanken zu machen, weil die Produkte sicher und für unsere Gesundheit unbedenklich sind – das wär’s. Das wär’s insbesondere, wenn die eigenen Gedanken und Sorgen nicht nur sich selbst gelten sondern dem Baby, das erwartet wird oder dem kleinen Nachwuchs, der schon auf der Welt ist. Aber es wäre auch bereits dann eine sehr gute Sache, wenn es ausschließlich um die eigene Gesundheit ginge.

Dem ist jedoch leider nicht so. In vielen Produkten unseres alltäglichen Bedarfs stecken Chemikalien, die im Verdacht stehen oder von denen bekannt ist, dass sie für Umwelt und Gesundheit schädlich sind. Wir von WECF setzen uns seit Jahren für ein Verbot gesundheitsschädigender Chemikalien in Produkten ein. Dafür haben wir unser Programm Nesbau ins Leben gerufen – ein Best Practice Tool, um zu informieren und Bewusstsein zu schaffen.

An sich sollte dies Aufgabe der Politik sein. Bislang kommt die Politik ihrer Fürsorge- und Vorsorgepflicht jedoch nicht im nötigen Umfang nach. Aufklärung und Information sind der einzige Weg, um Ungeborene, Kinder, Frauen, Männer und alle Menschen vor Schadstoffen zu schützen.

Synthetische Chemikalien sind ein Teil unseres Lebens und kommen in den unterschiedlichsten Feldern vor.

Und leider werden diese Chemikalien auch in den Produkten verwendet, die für uns, die Verbraucher*innen, bestimmt sind. Formaldehyd in Kosmetik, Weichmacher in Kunststoffen, per- und polyfluorierte Stoffe (PFC) in Outdoor-Bekleidung, oder Pestizide in Lebensmitteln. Wir nehmen sie mit dem Einkauf mit nach Hause– je nach Produktart – richten wir unsere Wohnung damit ein, halten unsere Wohnung sauber, tragen sie als Kleidungsstück oder als Kosmetik auf der Haut. Die Analysen von Blutproben, der Nabelschnur, Sperma oder Fettgewebe zeigen, dass jeder Mensch mit Dutzenden von Schadstoffen belastet ist. Denn entweichen diese Stoffe aus den Produkten, können wir sie über die Atmung, die Haut und die Nahrung aufnehmen.

Weltweit sind etwa 100.000 Chemikalien auf dem Markt. Nur ein geringer Teil wird auf gesundheitliche Folgen hin getestet und entsprechend geregelt und darf also in bestimmten Produkten nicht mehr oder nur noch in geringerer Menge zugesetzt werden. Von vielen Chemikalien ist bekannt, dass sie gesundheitsschädlich sind. Sie sind als krebserregend (kanzerogen), mutagen (erbgutverändernd), reproduktionstoxisch (fortpflanzungsschädigend) oder endokrin disruptiv (in das Hormonsystem eingreifend) bekannt, können aber auch Allergien auslösen, den IQ beeinträchtigen usw. Trotzdem finden sie sich in den Produkten unseres täglichen Bedarfs.

Frauen und Kinder sind besonders vulnerabel für bedenkliche Chemikalien – daher legen wir mit unserer Chemikalienarbeit und Nestbau den Fokus auf diese Gruppen.

Frauen reichern aufgrund ihres höheren Fettanteils im Gewebe fettlösliche und bio-akkumulierende Chemikalien stärker an, beispielsweise Weichmacher, die in vielen Plastikprodukten oder auch in Hygieneartikeln vorkommen. Die unterschiedlichen körperlichen Entwicklungsstadien, die Frauen durchlaufen und die durch das Hormonsystem gesteuert sind, machen gerade Frauen sehr anfällig für hormonell wirksame Stoffe. In Pubertät, Stillzeit, Menopause und Schwangerschaft reagieren Frauen besonders sensibel auf diese Stoffe. Der Bauch der Mutter ist auch die erste Umgebung für ein Kind. Die Exposition gegenüber hormonell wirksamen Stoffen kann hormonell gesteuerte Entwicklungsprozesse stören und kritische gesundheitliche Effekte auch für das ungeborene Kind haben. Die Plazenta ist keine sichere Barriere für Schadstoffe. Sie gelangen also über die Mutter zum Kind. Nach Aussagen der Internationalen Föderation der Gynäkolog*innen und Geburtshelfer*innen kommen viele Babys bereits vorbelastet zur Welt – mit bis zu 200 Substanzen in ihren kleinen Körpern.

Ein weiteres Problem: wir nehmen Tag für Tag eine Vielzahl von Chemikalien aus unterschiedlichsten Quellen auf, sodass in unserem Körper viele verschiedene Chemikalien aufeinander treffen. Wie diese zusammenwirken, ist nicht bekannt. Der sogenannte Cocktail- und Summeneffekt, spielt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen jedoch eine wichtige Rolle bei der Bewertung ihrer Gefährlichkeit und sollte bei der Entwicklung von Regulierungen und Grenzwerten mit ausschlaggebend sein.

Was macht die Politik eigentlich, um uns Verbraucher*innen zu schützen?

Dabei ist es in ganz besonderem Maße die Verantwortung der Politik durch Regelungen und Gesetze unsere Gesundheit und die Umwelt vor gesundheitsschädlichen Chemikalien zu schützen. In vielen Punkten reichen die politischen Regelungen jedoch nicht aus und das obwohl in Europa beispielsweise mit REACH eine weltweit führende Chemikaliengesetzgebung implementiert wurde und das Vorsorgeprinzip gelten sollte  – dass also keine abschließenden wissenschaftliche Beweises nötig sind, um Gesundheit und Umwelt durch Gesetze zu schützen. Hormonell wirksame Substanzen, die in vielen Alltagsprodukten vorkommen, sind z.B. in REACH und auch in anderen Richtlinien nicht hinreichend berücksichtigt.

Ein wichtiger, internationaler Prozess hierbei ist SAICM 2020. Mit dem SAICM-Prozess soll auch in Zukunft der Weg hin zu einem nachhaltigen Chemikalienmanagement gegangen werden – und zwar weltweit. Das “Chemical in Products” (CiP)-Programm, das Teil von SAICM ist, ist gerade für Verbraucher*innen von besonderer Bedeutung. Dem Programm zufolge sollten Informationen, welche Chemikalie im welchen Produkt steckt, für alle Verbraucher*innen zugänglich sein und zumindest regulierte Chemikalien, denen potentielle Gesundheitsgefährdungen zugeschrieben werden, gekennzeichnet sein.

Dass das CiP Programm umgesetzt wird, daran arbeiten wir mit einer Reihe weiterer NGOs auf nationaler und internationaler Ebene zusammen. Die Praxis hinkt hier allerdings noch weit hinterher.

Wir nehmen den Schutz vor schädlichen Chemikalien selbst in die Hand.

Für Verbraucher*innen bleiben also viele Fragen offen: Was tun? Was darf ich noch konsumieren, was sollte ich besser lassen? Kann ich das überhaupt alles umsetzen, ohne Expert*in werden zu müssen und meinen Alltag stark zu verkomplizieren?

Die einfache wie erleichternde Antwort darauf ist: Ein Expert*innenstatus ist nicht nötig. Es ist jedoch etwas Eigeninitiative gefragt, wenn es um Informationen geht. Um Fragen wie „Welches Produkt ist das richtige?“ zu beantworten und Verbraucher*innen ganz konkrete Hilfen an die Hand zu geben, haben wir das Nestbau-Projekt entwickelt.

Zu ausgewählten Produktgruppen gibt Nestbau ganz konkrete, gut umsetzbare Tipps an die Hand, wie beispielsweise zu

  • Körperpflege
  • Reinigungsmittel
  • Renovieren und Einrichten
  • Spielzeug
  • Textilien

Eine Liste mit zu vermeidenden Schadstoffen hilft, beim Einkaufen auf der sicheren Seite zu sein. Und für Produktgruppen, für die es keine gesetzliche Deklarationspflicht der Inhaltsstoffe gibt, geben wir Tipps, wie Verbraucher*innen trotzdem erkennen können, ob ein Produkt möglichst sicher ist. Politisch arbeiten wir daran, dass eine Deklarationspflicht endlich umgesetzt wird.

Das gesamte Nestbau-Paket besteht neben unserer Website aus der App Giftfrei Einkaufen, der Broschüre Vorsicht! Schadstoffe im Alltag, unserer Info-Postkarte sowie zahlreicher kompakter Ratgeber zu Spielzeug, hormonähnlich wirkenden Chemikalien, Pflegeprodukten usw. All dieses Material gibt es auf Deutsch und auf vielen weiteren Sprachen wie Englisch, Französisch, Niederländisch, Türkisch und auch Chinesisch.

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