WAS SIND EDCs?

EDCs sind Chemikalien, die das Hormonsystem stören. Diese Chemikalien bzw. Wirkstoffe werden daher auch als hormonschädliche bzw. hormonverändernde Chemikalien bezeichnet oder als Chemikalien mit hormoneller Wirkung. Die Verwendung der englischen Abkürzung EDCs für Endocrine Disrupting Chemicals hat sich auch im Deutschen etabliert. Die deutsche Abkürzung lautet ED, für Endokrine Disruptoren.

Besonders gefährdet sind Kinder und Schwangere, die besonderen Schutz bedürfen. 

Bekannte Chemikalien mit hormoneller Wirkung sind Bisphenol A und andere Bisphenole, Weichmacher-Phthalate und viele Pestizide. Diese und andere EDCs können natürliche Hormone blockieren oder nachahmen und dabei wichtige hormonelle Abläufe im Körper stören. Sie werden unter anderem mit der Zunahme und Entstehung von hormonbedingten Krebsarten, Unfruchtbarkeit, Verhaltens- und Entwicklungsstörungen und metabolischen Erkrankungen wie Diabetes in Verbindung gebracht.

EDCs sind in vielen Alltagsprodukten enthalten, wie in Kosmetik, Plastikprodukten, Teflon-Beschichtungen, Textilien, Spielsachen und als Pestizidrückstände in Lebensmitteln – meist ohne, dass wir es wissen. Die WHO spricht im Zusammenhang mit EDCs von einer globalen Bedrohung. 

Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt, Industrieinteressen verhindern jedoch dringend nötige Maßnahmen. 

Wir von WECF setzen uns deshalb in Deutschland, in der EU und international für ein konsequentes Verbot von hormonell wirksamen Chemikalien ein. Wir stehen außerdem für ein Recht auf Information zum ThemaUm dies zu erreichen, engagieren wir uns im deutschen NGOBündnis Hormongifte stoppen und in der europäischen Allianz EDC Free Europe. Darüber hinaus informieren wir Schwangere, junge Eltern und Multiplikator*innen mit unserem Nestbauprogramm zu mehr Schutz vor EDCs.


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SWR2 Wissen informiert über die "Gratiszugabe", die es bei jedem Einkauf von Kosmetik und Plastikprodukten oben drauf gibt: Chemikalien, die unser Hormonsystem beeinflussen. Doch was bedeutet das für uns und unsere Gesundheit? Dieser Podcast klärt auf - mit Input von unserer Chemikalienexpertin Johanna Hausmann.

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FRAGEN UND ANTWORTEN ZU EDCs

Wie kommen wir Menschen mit EDCs in Kontakt?

EDCs sind ein globales und sogenanntes ubiquitäres Umwelt- und Gesundheitsproblem. Sie werden in einer Vielzahl unterschiedlichster Produkte verwendet. Dies erschwert zum einen die Regulierung und bedeutet zum anderen, dass wir EDCs ständig ausgesetzt sind.  

Mensch und Tier kommen über die verschiedensten Wege, sogenannte Expositionswege, mit EDCs in Kontakt und nehmen sie zum Beispiel über Nahrungsmittel und Wasser, über die Haut oder inhalativ über die Atmung auf. Auch ungeborene Kinder sind bereits gegenüber EDCs exponiert, weil EDCs die Plazenta passieren können und Mütter können sie über die Muttermilch an die Neugeborenen weitergeben (dennoch: die gesundheitlichen Vorteile des Stillens überwiegen!) 

Einige Beispiele, wie und warum wir Menschen mit EDCs in Kontakt kommen, zeigt diese Tabelle

 

Aufnahmeweg der EDCs  Quelle der EDC-Belastung  
Orale Aufnahme von mit EDCs belasteteNahrungsmitteln
und / oder belasteten Wassers 
 
Industriemüll, mit Pestiziden belasteter Boden bzw. mit Pestiziden belastetes Grundwasser 
Pestizidrückstände in Trinkwasser und Nahrungsmitteln 
Austritt von EDCs aus dem Verpackungsmaterial und Übergang auf die Nahrungsmittel und Getränke  
Inhalative und / oder dermale Aufnahme von EDCs  Einrichtungsgegenstände, die mit Flammschutzmitteln behandelt wurden 
In der Landwirtschaft / im öffentlichen Raum / im Haushalt eingesetzte Pestizide zur Schädlingsbekämpfung  
Intravenöse Aufnahme von EDCs  Intravenös eingesetzte Schläuche  
Dermale Aufnahme von EDCs  Kosmetika, Körperpflegeprodukte, antibakterielle Produkte, Sonnencreme, Medikamente 
Aufnahme von EDCs über die Plazenta  EDC-Belastung der Mutter gelangt über die Plazenta zum ungeborenen Kind 
Aufnahme von EDCs über die Muttermilch   EDC-Belastung der Mutter gelangt über die Muttermilch zum Neugeborenen  

 

Aktuelle Auswertungen des Umweltbundesamtes im Rahmen der GerES V-Studie zeigen, dass quasi alle Kinder und Jugendliche in Deutschland mit EDCs belastet sind.  

Doch die eigene Belastung zu reduzieren ist möglich – auch wenn nicht alles in der eigenen Hand liegt

Es gibt Punkte, an denen auch wir als Verbraucher*innen ansetzen und erste Schritte einleiten können, um die eigene Exposition und Belastung bzw. die der gesamten Familie zu reduzieren. Einige Ansatzpunkte zeigen sich bereits in der Tabelle – möglichst biologisch einkaufen hilft, Pestizide mit hormonellen Eigenschaften zu vermeiden. EDCs stecken als Weichmacher – wie der Name bereits sagt – vor allem in weichen Plastikprodukten. Das Umstellen auf Glas oder Porzellan und das Vermeiden von Fertigprodukten leistet bereits einen Beitrag, um die eigene Belastung zu senken.  

Naturkosmetika sind die gesündere Alternative und auch bezüglich Körperpflegeprodukten empfehlen wir, lieber die biologische Body Lotion in den Einkaufskorb zu legen.  

Dennoch: Eine vollständige Vermeidung von EDCs ist nicht bzw. kaum möglich. Umso wichtiger ist es, peu à peu oder auch radikal das eigene Verhalten zu ändern und zu wissen, wie man sich selbst schützen kann.  

Hilfestellungen hierfür gibt es viele und das schöne ist – es ist kein Hexenwerk!

Unseren gesamten Tipps findet ihr auf www.nestbau.info, in unserem kleinen EDC-Ratgeber und in der Broschüre Vorsicht! Schadstoffe im Alltag Mit unsere App Giftfrei einkaufen habt ihr außerdem euren persönlichen Ratgeber immer in der Tasche.

 

Quellen 

  • Murawski et al. (2020). Parabens in urine of children and adolescents n Germany – human biomonitoring results of the german environmental survey 2014-2017 (GerES V). Environmental Research, in press, 110502.  
  • Okoro et al. (2017). Comprehensive review on adverse health effects of human endocrine-disrupting chemicals. Fresenius Environmental Bulletin, 26, 4623-4636. 
  • Ribeiro et al. (2017). EDCs mixtures: a stealthy hazard for human health?.Toxics, 5, doi:10.3390/toxics5010005 
  • Schwedler et al. (2020). Phthalates metabolites in urine of children and adolescents in Germany. Human biomonitoring results oft he German Environmental Survey GerES V, 2014-2017. International Journal of Hygiene and Environmental Health, 225, 113444.  

Welche Art von Chemikalien sind EDCs und wo werden sie verwendet?

Datenbank TEDx listet ca. 1000 Stoffe, denen eine endokrine Wirkung zugeschrieben werden kann bzw. die im Verdacht stehen, endokrin zu wirken. Mit Bisphenol A, Phthalaten und Parabene werden wir drei wichtige Gruppen kurz vorstellen. Weitere Gruppen bzw. Verwendungen hormonell wirksamer Chemikalien sind Organozinnverbindungen oder als UV-Filter oder Flammschutzmittel eingesetzte Stoffe. 

Bisphenol A (BPA)

BPA wurde erstmals 1891 hergestellt. Die östrogene und somit hormonelle Wirkung des Stoffes wurde bereits im Jahr 1936 entdeckt. BPA ist heutzutage eine der meistproduzierten Chemikalien. Wir alle sind quasi ständig BPA ausgesetzt. Die Anwendung von BPA und BPA-Harzen ist enorm. Sie betrifft unter anderem:

  • eine Vielzahl von Fertigungsverfahren 
  • Lebensmittelverpackungen 
  • Spielzeugen 
  • die Auskleidung von Lebensmittel- und Getränkekonserven 

Seit 2017 steht BPA als substance of very high concern (SVHC) auf der REACH-Kandidatenliste, trotz zahlreicher Versuche seitens der Industrie, dies zu verhindern.  

Neben BPA gibt es weitere Bisphenole, die Bisphenol S (BPS) oder Bisphenol F (BPF), die als Ersatzchemikalien (Substitute) eingesetzt werden können. Studien zeigen, dass auch bei diesen beiden Stoffen von einer hormonellen Wirkung auszugehen ist. BPA-frei bedeutet also nicht gleich, dass nicht möglicherweise andere, ebenso hormonell wirksame Bisphenole in den Produkten enthalten sein können. 

Flammschutzmittel 

Flammschutzmittel besitzen ebenfalls hormonwirksame Eigenschaften. Sie werden – wie der Name bereits sagt – zum Schutz vor Bränden eingesetzt. Sie stecken dementsprechend z. B. in  

  • Matratzen 
  • Sofas 
  • Autositzen 
  • Teppichen 
  • Textilien allgemein
  • Elektroprodukten 

Flammschutzmittel treten aus den Produkten aus und gelangen so in die Umwelt und z. B. in den Hausstaub. Da mit dem Begriff Flammschutzmittel eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte zusammengefasst werden, können wir neben der hormonellen Wirkung noch weitere zuschreiben. So sind viele Flammschutzmittel bioakkumulierend, einige sind krebserregend bzw. als POPs (persistente organische Schadstoffe) weltweit verboten.  

Zwei der wichtigsten Gruppen innerhalb der Flammschutzmittel sind bromierte Flammschutzmittel (BFR) und phosphororganische Flammschutzmittel (OFR). Wie auch bei anderen Chemikalien werden die verbotenen Verbindungen dieser Gruppen durch ähnlich aufgebaute Chemikalien ersetzt (substituiert), sodass Umwelt und Gesundheit weiterhin belastet sind.  

Gesundheitliche Folgen von Flammschutzmitteln können sein: neurobehaviorale und Entwicklungsstörungen, Krebserkrankungen sowie Diabetes. Weiterhin wurden Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit und die Schilddrüsenfunktion gefunden.  

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS)

PFAS weisen sehr praktische Eigenschaften auf: Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und – zum Leidwesen für Mensch und Natur – chemisch und thermisch stabil. PFAS werden daher auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. Sie emittieren aus den Produkten, gelangen in Luft, Gewässer und Böden und bleiben dort, da sie persistent und bioakkumulierend sind. Sie kommen in unterschiedlichen Produkten zum Einsatz, die wir alle Zuhause haben. Beispielsweise in:

  • Teflonpfannen 
  • Lebensmittelverpackungen 
  • Kosmetika  
  • Outdoorbekleidung 
  • Imprägniersprays 

Nach aktuellen Erkenntnissen stehen PFAS nicht nur in Verdacht, Fehlgeburten zu begünstigen, sondern u.a. das gesamte Hormonsystem zu stören und leberschädigend zu sein. Die mit PFAS bisher in Verbindung gebrachten Gesundheitseffekte betreffen auch Wirkungen auf den Fettstoffwechsel, den Serumcholesterinspiegel, das Immunsystem, die Fruchtbarkeit inkl. den Schwangerschaftsverlauf, das Hormonsystem sowie auf das Risiko für Hoden- und Nierentumore.

Frauen, bzw. gebärende Menschen, geben PFAS über Plazenta und Muttermilch an das noch nicht, bzw. neugeborene Kind weiter. Des weiteren kommen Frauen* über Kosmetikprodukte verstärkt mit PFAS in Kontakt. 

PFAS werden seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eingesetzt und umfassen eine Gruppe von mehr als 4700 Verbindungen. Die Umwelt- und Gesundheitskosten, die auf diese Stoffe zurückzuführen sind, sind entsprechend hoch. So werden für die Sanierung mit PFAS verunreinigten Böden und verunreinigtem Grundwasser für Europa zwischen zehn und 20 Milliarden innerhalb der nächsten 20 Jahre veranschlagt. 

In der EU ist PFOA, eine der Verbindungen aus der PFAS-Gruppe, seit 2020 verboten. Dies betrifft die Herstellung, Verwendung, das Inverkehrbringen und den Import von PFOA sowie den entsprechenden Salzen und Vorläuferverbindungen, die zu PFOA umgebaut werden können. Weil sich PFOA jedoch kaum in der Umwelt abbauen, finden sie sich trotz des Verbots in allen Umweltkompartimenten. Menschen und Tiere können PFOA somit weiterhin über die Nahrung, Staub, die Luft und verunreinigtes Trinkwasser aufnehmen. Dennoch scheint seit dem Verbot die Belastung der allgemeinen Bevölkerung mit PFOA zu sinken. Damit dieser Schutz von Umwelt und Gesundheit dauerhaft und nachhaltig ist, ist es wichtig, dass PFOA nicht durch chemische Verbindungen ersetzt wird, die sich im Nachgang als ähnlich schädlich erweisen.  

Für einige PFOA-Anwendungen wurden zudem Ausnahmen oder verlängerte Übergangsfristen über das Jahr 2020 hinaus festgelegt. 

Phthalaten und Phthalatestern 

Mit Phthalaten und ihren Estern wird eine aus vielen Verbindungen bestehende Chemikaliengruppe beschrieben, die als flüssige Weichmacher zum Einsatz kommen. Ein geläufiges Beispiel für den Einsatz von Phthalaten ist der Kunststoff Polyvinylchlorid – besser bekannt unter PVC. In die Kunststoffherstellung eingeführt wurden Phthalate in den 20er Jahren.

Phthalate sind chemisch nicht an den Kunststoff gebunden, sodass sie entweichen und somit zu Menschen und in die Umwelt gelangen. Weitere Einsatzgebiete neben der Plastikherstellung sind unter anderem:  

  • Körperpflegeprodukte 
  • Medizinische Schläuche 
  • Spielzeug 

Seit 2005 sind Phthalate in Babyartikeln und Spielzeug für Kinder bis zum Alter von drei Jahren glücklicherweise verboten. 

Parabene

Eine weitere wichtige Chemikalienruppe, die bereits einige Bekanntheit erlangt hat, sind ParabeneDie Bezeichnung “ohne Parabene” oder “frei von Parabenen”, kennen wir alle von beispielsweise Shampooflaschen und Kosmetikpackungen. Parabene weisen sowohl östrogene als auch antiandrogene Eigenschaften auf. Ausgewählte Parabene, die im Verdacht stehen hormonähnliche Wirkung zu haben, wie Isopropyl-, Isobutyl-, Phenyl-, Pentyl- und Benzylparabene sowie Salze von Isobutylparabenen, sind in der EU seit Oktober 2014 als Konservierungsmittel für Kosmetika verboten. Noch gültige Einsatzgebiete sind:  

  • Konservierungsmittel, zur Haltbarmachung von  
  • Lebensmitteln 
  • Arzneimitteln 
  • Kosmetika  
  • Tabakprodukten 

Eine schöne Übersicht hierzu gibt unser Ratgeber ‚Gesundheit schützen – Schadstoffe vermeiden. Hormonell wirksame Chemikalien in Alltagsprodukten‘. 

 

Quellen 

  • EU (2018). Commission regulation (EU) 2018/2005. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018R2005&from=EN [19.04.2021].
  • Gore et al. (2015). EDC-2. The Endocrine Society´s second scientific statement on endocrine disrupting chemicals. Endocrine Reviews, l36, E1-E150.
  • IPEN (o.J). Women, chemicals and the SDGs. https://saicmknowledge.org/sites/default/files/publications/ipen-gender-chemicals-report-v1_5web-en.pdf [19.04.2021].
  • Kim et al. (2014). Health consequences of exposure of exposure to brominated flame retardants: a systematic review. Chemosphere, 106, 1-19.
  • Okoro et al. (2017). Comprehensive review on adverse health effects of human endocrine-disrupting chemicals. Fresenius Environmental Bulletin, 26, 4623-4636.
  • Rochester & Bolden (2015). Bisphenol S and F: a systematic review and comparison of the hormonal activity of Bisphenol A substitutes. Environmental Health Perspectives, 123, 643-650.
  • Sagiv et al. (2015). Sociodemographic and Perinatal Predictors of Early Pregnancy Per- and Polyfluoroalkyl Substance (PFAS) Concentrations. Environmental Science and Technology, 49, 11849-11858.
  • TEDx (2018). Search the TEDx list. https://endocrinedisruption.org/interactive-tools/tedx-list-of-potential-endocrine-disruptors/search-the-tedx-list [14.11.2020].
  • Thoene et al. (2020). Bisphenol S in food causes hormonal and obesogenic effects comparable to or worse than Bisphenol A: a literature review. Nutrients, 12, 532.
  • Umweltbundesamt (2017). EU verbietet PFOA. https://www.umweltbundesamt.de/themen/eu-verbietet-pfoa [19.04.2021].

Was bedeuten EDCs für die Umwelt und Tiere?

Schädliche Auswirkungen von EDCs sind auch bei Tieren und in der Umwelt zu finden. In europäischem Trinkwasser wurden bereits mehr als 240 verschiedene synthetische Chemikalien gefunden, darunter Pharmazeutika, Pestizide und viele EDCs wie Phthalate, Bisphenole und PFAS.

In die Umwelt bzw. in Flüsse, Seen und das Grundwasser gelangen EDCs durch verunreinigte Abwässer oder auch durch Hygieneprodukte wie Wachmittel oder Shampoos, da EDCs in Kläranlagen nicht immer herausgefiltert werden können. Als Bestandteil von Pestiziden werden EDCs bewusst und direkt in die Umwelt getragen. Sobald EDCs in offenen Gewässern verteilt sind können sie verdunsten und mit dem Niederschlag weiterverbreitet werden.  

EDCs beeinflussen die Gesundheit und Überlebenschancen von TierenDiese spüren die Folgen in Form von Populationsverminderung durch die Beeinträchtigung von Wachstum, Geschlecht, Verhalten und Fortpflanzung der Tiere . 

Anschaulich ist das Beispiel des mittlerweile verbotenen Biozids Tributylzinn (TBT), das gegen den Bewuchs an Schiffrümpfen eingesetzt und damit entlang der internationalen Schifffahrtsrouten kontinuierlich in die Meeresumwelt gelangte. Schon in niedrigsten TBT-Konzentrationen führte es zur Ausbildung von Penissen bei weiblichen Meeresschnecken. Dieser Effekt wird als „Imposex“ beschrieben und sorgt dafür, dass sich über 200 Meeresschnecken Arten nicht mehr fortpflanzen können.  

Auch untersagt ist die Nutzung von polychlorierten Biphenylen (PCBs), die Unfruchtbarkeit und Zwitterbildung bei Eisbären und vermutlich seit 25 Jahren den Fortpflanzungsstop bei Schwertwalen in Großbritannien verursacht. Außerdem werden Korallenriffe von UV-Filtern angegriffen und geschädigt, die häufig in Sonnenschutzmitteln verwendet werden und im Verdacht stehen Hormonsysteme zu schädigenZum letztgenannten Beispiel gehören die negativen Auswirkungen von EDCs auf zahlreiche männliche Fische. So wurden in Flussmündungen in Europa, z. B. hin zur Nordsee, männliche Fische gefunden, die mittlerweile das weibliche Eigelbprotein produzieren. Das gleiche gilt beispielsweise auch für männliche Wanderfalken in Spanien. 

Mehr Infos dazu findet ihr in unserem Hintergrundpapier zu EDCs und auf der Seite von Chemtrust.

Welche Krankheiten können mit EDCs in Verbindung gebracht werden?

Die Weltgesundheitsorganisation stuft EDCs als eine globale Bedrohung ein. Die Wissenschaft bestätigt, dass die Exposition gegenüber EDCs Einfluss auf die Zunahme verschiedener Krankheitsbilder hat. So werden mit EDCs unter anderem die folgenden gesundheitlichen Effekte in Verbindung gebracht:

  • ADHS
  • Adipositas
  • Allergien
  • Asthma
  • Brustkrebs
  • Diabetes
  • Entwicklungsstörungen beim Embryo
  • Fehlgeburten und Frühgeburten
  • Fruchtbarkeitsstörungen wie zum Beispiel
    • Fehlbildungen der Geschlechtsorgane
    • Hodenhochstand
    • Verminderte Spermienqualität
  • Neurologische Erkrankungen
  • Niedriger IQ
  • Niedriges Geburtsgewicht
  • Prostatakrebs
  • Schilddrüsenerkrankungen

Warum sind EDCs bei der Familienplanung, für Schwangere und für junge Familien ein so wichtiges Thema?

EDCs und weibliche Fruchtbarkeit 

Die weiblichen Fortpflanzungsorgane (Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter, Vagina) und somit auch der weibliche Zyklus werden hormonell gesteuert, sodass zum einen eine Schwangerschaft möglich ist und zum anderen, die bestmöglichen Bedingungen für einen idealen Verlauf von Schwangerschaft und Geburt geschaffen werden. EDCs haben das Potenzial, die weibliche Fortpflanzung zu beeinträchtigen, indem sie die Struktur und / oder Funktion der weiblichen Fortpflanzungsorgane nachteilig beeinflussen. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass EDCs den Eierstock, die Gebärmutter, die Vagina, den Hypophysenvorderlappen (Abschnitt im Gehirn zum Steuern der hormonellen Prozesse) und / oder die Produktion des Hormons Steroid beeinträchtigen könnenWichtig sind also: das Alter, in dem Mädchen in die Pubertät kommen, das Alter der Wechseljahre, die Leichtigkeit, mit der Frauen schwanger werden können, das Risiko von Komplikationen während der Schwangerschaft, die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt oder eines untergewichtigen Babys, die gesunde Entwicklung des Fötus und auch Krankheiten, die spezifisch für das weibliche Fortpflanzungssystem sind, wie z. B. Endometriose, das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) oder Eierstock-, Gebärmutter-, Gebärmutterhals- und Scheidenkrebs. 

Um es noch ein bisschen komplizierter und komplexer, als die Prozesse ohnehin schon sind, zu machen, spielen z. B. auch Schilddrüsenhormone bei der sexuellen Reifung eine Rolle und sind somit wichtig für die weibliche, reproduktive Gesundheit. Die Art und Weise, wie sich Chemikalien auf die reproduktive Gesundheit auswirken können, ist daher sehr komplex. 

EDCs und männliche Fruchtbarkeit  

Insgesamt weisen die bisherigen Forschungsergebnisse darauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen EDCs und der männlichen Fruchtbarkeit besteht. Hormone, insbesondere Androgene, steuern die Entwicklung und Ausbildung des männlichen Fortpflanzungssystems und weiterer sekundärer Geschlechtsmerkmale, wie z. B. Stimme und Bartwuchs. Die Zahl der antiandrogenen und künstlich hergestellter EDCs mit östrogenen Eigenschaften nimmt zu, gleichzeitig wirken antiandrogene Chemikalien additiv, d.h. sie verstärken sich in ihrer Wirkung.  

Hodenhochstand (Kryptorchismus) und Fehlbildungen der männlichen Genitalorgane (Hypospadie) sind die häufigsten Geburtsfehler der männlichen Fortpflanzungsorgane. Ihre Inzidenz (also Neuerkrankungsrate) hat in vielen Ländern im gleichen Zeitraum zugenommen, in dem sich auch die Neuerkrankungsrate von Hodenkrebs vervielfacht hat. Ein Thema, was medial bereits öfter aufgegriffen wurde, ist die Abnahme der Samenqualität (z. B. weniger Spermien, verringerte Beweglichkeit der Spermien). Dies kann dazu führen, dass es länger bis zu einer Schwangerschaft dauert bzw. die Fruchtbarkeit so gering ist, dass die Samenqualität nicht ausreicht, um ein Kind zu zeugen bzw. medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden muss. All diese genannten Folgen für die männliche Fruchtbarkeit fallen auch unter den Begriff Testicular Dysgenesis Syndrome (TDS).

EDCs und die Kleinsten der Kleinen 

Während der Schwangerschaft laufen hormongesteuerte, schnelle Entwicklungsphasen im Körper des Ungeborenen ab. Da die Plazenta keine sichere Barriere für EDCs darstellt, können diese zum ungeborenen Kind gelangen. Störungen während sensibler Entwicklungsfenster können zu Beginn, aber auch später im Leben zu gesundheitlichen Problemen führen. Studien zeigen, dass die ersten beiden Trimester, in denen sich die Organe und das zentrale Nervensystem entwickeln, besonders anfällig für Störungen sind.   

Säuglinge und Kleinkinder sind ebenfalls aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung sensibler gegenüber EDCs und Schadstoffbelastungen im Allgemeinen. Sie nehmen aufgrund einer größeren Hautoberfläche im Verhältnis zum Gewicht, eines größeren Atemvolumens und größerer Stoffwechselrate Schadstoffe leichter auf. Auch sind die Entgiftungsorgane noch nicht fertig entwickelt, sodass Schadstoffe langsamer abgebaut werden und somit länger im Körper verweilen.  

Auch das Verhalten spielt eine Rolle. Kinder nehmen alles in den Mund und halten sich mehr in Bodennähe auf, sodass sie bspw. im Hausstaub enthaltene Chemikalien leichter aufnehmen.  

 

Quellen 

  • Gore et al. (2015). EDC-2. The Endocrine Society´s second scientific statement on endocrine disrupting chemicals. Endocrine Reviews, l36, E1-E150.
  • Lucaccioni et al. (2020). Endocrine disrupting chemicals and their effects during female puberty: a review of the current evidence. International Journla of Molecular Sciences, 21, 2078.
  • Ribeiro et al. (2017). EDCs mixtures: a stealthy hazard for human health?.Toxics, 5, doi:10.3390/toxics5010005.
  • Skakkebaek et al. (2001). Testicular dysgenesis syndrome: an increasingly common developmental disorder with environmental aspects. Hum Reprod, 16, 972-978.

Warum sind EDCs nicht verboten?

Die Umwelt- und Gesundheitsgefahren durch EDCs sind nicht neu. Auch die Diskussion über EDCs ist nicht neu. Trotz seit Jahren bzw. Jahrzehnten geführter Debatten ist das Problem bisher nicht gelöst und nur wenige EDCs sind bisher verboten oder in ihrer Verwendung eingeschränkt. Warum ist das so?  

Zum Kontext: 2007 wurde mit REACH eine neue Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe eingeführt. REACH gilt als eine der strengsten Chemikaliengesetze der Welt und schließt ein paar der Lücken vorheriger Verordnungen.

Regulierungsprozesse laufen also schon. Wo liegt dann das Problem?

  1. Fehlende Klassifizierungen: Abstimmungsprozesse benötigen unter REACH ihre Zeit. So enthalten die überarbeitenden EU-Gesetze zu Pestiziden und Bioziden Bestimmungen, die eine Zulassung von Wirkstoffen mit endokrinen Eigenschaften untersagen. Welche EDC-Kriterien jedoch angewendet werden sollen, um diese Chemikalien zu identifizieren und als endokrin wirksam zu klassifizieren, wird noch diskutiert. Dies bedeutet, dass sich diese Bestimmungen bei der Zulassung noch nicht ausgewirkt haben.
  2. Rückstand in der Forschung: Viele Chemikalien sind bisher nicht auf mögliche endokrine Eigenschaften hin getestet. Auch mangelt es den derzeitigen Testmethoden daran, alle EDCs zu erkennen. So werden bspw. oft nicht die relevanten Testoutcomes erhoben oder nicht die Expositionsfenster gewählt, wenn der Organismus besonders sensibel auf einen Kontakt mit hormonell wirksamen Stoffen reagiert. Somit können endokrin wirksame Chemikalien übersehen werden.
  3. Lobbyarbeit der Chemieindustrie: Je größer die wirtschaftliche Bedeutung einer Chemikalie ist, desto schwieriger ist es, ihre Verwendung einzuschränken oder gänzlich zu verbieten. Bisphenol A (BPA) ist hier ein gutes Beispiel. Die endokrinen Eigenschaften sind bereits lange bekannt. Jedoch ist BPA eine der weltweit am meisten produzierten Chemikalien der Welt, daher in unzähligen Produkten enthalten und die Verwendung schwer einzuschränken, auch aufgrund der Lobbyarbeit der chemischen Industrie.  

Können EDCs reguliert werden?

Ja! EDCs können und müssen reguliert werden. Dafür müssen die verantwortlichen Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen international agieren, um bestehende Prozesse in der Chemieindustrie nachhaltig zu ändern.

Welche Rolle kann Deutschland spielen und welche spielt es 

Deutschland trägt aufgrund seines Standortes als einer der größten Chemikalienproduzenten weltweit eine besondere Verantwortung im Umgang mit endokrinen Disruptoren. Bereits im März 2019 forderten Umwelt- und Gesundheitsorganisationen die Bundesregierung auf, eine konkrete Strategie zum Umgang mit EDCs vorzulegen. Deutschland muss einen detaillierten nationalen Allokationsplan entwerfen, der den Bestrebungen in anderen europäischen Ländern in nichts nachsteht. Dazu gehört u.a., die Industrie dazu zu verpflichten weitreichende Daten zur EDC-Belastung in ihren Produkten zu kommunizieren. Dies ist bislang noch nicht geschehen.  

Zudem fordern wir genauere Untersuchungen zu Belastungen von EDCs schnellstmöglich in die Wege zu leiten, intensiv an Alternativen für endokrine Disruptoren zu forschen und mehr Verbote für gesundheitsgefährdende Substanzen auszusprechen. Wichtig ist hierbei, schnell zu handeln, denn die Folgen von EDCs belasten Mensch und Umwelt gleichermaßen. Es braucht eine europäische Strategie gegen endokrin wirksame Chemikalien, die die Gesundheit von Bürger*innen und die der Umwelt in der Europäischen Union schützt.

Was machen andere Länder – wer ist uns voraus? 

In Dänemark, Frankreich, Belgien, Schweden und den Niederlanden gibt es bereits Informationskampagnen zu endokrinen Disruptoren, die die Öffentlichkeit erreichen. Außerdem haben diese Länder Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die am stärksten gefährdeten Gruppen wie Kinder und Schwangere zu schützen. Insbesondere Dänemark und Schweden haben bereits dafür gesorgt, die Exposition gegenüber EDCs zu verringern.  

Trotzdem können nationale Alleingänge nicht die Lösung sein, vielmehr braucht es eine gemeinsame Strategie zu EDCs. Die EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit, die im Oktober 2020 verabschiedet wurde, ist ein wichtiger Schritt hin zu solch einer europäischen Lösung.